100 Jahre

Der Brüderverein und seine Nachbarn

Am 3. Juli präsentierte der Evangelische Brüderverein mit seinem neuen Namen „Gemeinde für Christus" auch den Willen zum vorsichtigen Wandel nach 100 Jahren Sonderweg. Dass es zahlreiche Fäden zwischen Brüderverein und evangelischen Gemeinden gab und gibt, brachten Gratulanten aus Politik und Kirchen an einem festlichen Abend zum Ausdruck.

In Heimisbach bei Trachselwald im Emmental wurde am 4. Juli 1909 der Verein gegründet, der bis am vergangenen Samstag als Evangelischer Brüderverein (EBV) unterwegs war und nun als „Gemeinde für Christus" (GfC) weitergehen will. Der neue Name ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, in dem auch die Basis klar für die Umbenennung votierte. Am Willen, das Erbe hochzuhalten, ist gleichwohl nicht zu zweifeln: Die Gemeinschaft behalte im Logo den alten Namen unter dem neuen in kleinerer Schrift, „damit die Identität gewährleistet" sei, sagte EBV-Sprecher Erich Christen an der Feier in der Mehrzweckhalle Heimisbach.

Frei vom Alkohol - frei zum Dienst

Zum Beginn des Jubiläumswochenendes blickten leitende Brüder des EBV und ihre Gattinnen mit Gästen aus Politik und Kirchen zurück auf ihr erstes Jahrhundert und die Vorgeschichte. „Alles begann mit einer Wurst", resumierte Präsident Beat Strässler die Umkehr des EBV-Gründers Fritz Berger im „Bären" im Dürrgraben 1899. Berger sah einen fremden Gast eine Wurst und eine Limonade bestellen und entschloss sich, dem Alkohol abzusagen; daraus erwuchs sein Ringen um ein geheiligtes Leben, das drei Jahre später im Durchbruch der Gewissheit gipfelte, erlöst zu sein.

Bis heute steht der Kampf für die Suchtfreiheit und gegen den Alkoholismus in den Statuten des EBV. Im Unterschied zum Blauen Kreuz, für das Berger einige Jahre gearbeitet hatte, wurde der EBV eine Freikirche. Sie will an der Schwelle zum zweiten Jahrhundert christuszentriert vorwärts gehen und dabei alle Mitglieder einbeziehen, wie Beat Strässler in seinem Kurzportrait betonte. In den ersten Jahrzehnten wuchs der Brüderverein durch „bewusstes Heraustreten" stark; in den letzten ging die Zahl der Gottesdienstbesucher zurück, während in Übersee und im europäischen Ausland erfolgreich Mission betrieben wurde.

Versöhnung - auch in Familien

Christian Kopp, Präsident des Gemeinderats von Trachselwald, hatte auf das Jubiläum hin Fritz Bergers Biografie gelesen. Dass der Brüderverein in seinen Anfängen angefeindet wurde, habe ihn betroffen gemacht. Namens seiner Behörde sagte Kopp: „Es tut uns leid". Er wünschte dem Jubilar „für die nächsten 100 Jahre, dass noch viel Versöhnung geschehe, dass Familien gesund werden können".

Der Trachselwalder Regierungsstatthalter Markus Grossenbacher, Sohn eines EBV-Gemeindevorstehers, blickte weiter zurück, in die Epoche der Täuferverfolgung. Mit dem Erlös aus dem Verkauf konfiszierter Täuferhöfe seien im Emmental manche reformierten Kirchen gebaut oder ausgeschmückt worden. In den letzten Jahrzehnten habe sich die Schweizer Gesellschaft „vom christlichen Glauben abgekehrt", bemerkte Grossenbacher und kritisierte die mediale Diskriminierung von Gläubigen, die Lehrer werden wollen. Den Versammelten wünschte er, dass sie dem neuen Namen Ehre machen.

Der Brüderverein forderte Freikirchen heraus

Mehrere Gratulanten schilderten ihre Kindheit und prägende Jugendjahre im Brüderverein - sie gehören zu den vielen, die später in andere Kirchen wechselten. „Vater Berger" habe seine Eltern getraut, sagte Armin Mauerhofer, Vertreter der Freien Evangelischen Gemeinden FEG. Mit seinem „unkonventionellen Zeugnis" forderte Berger die im 19. Jahrhundert entstandenen Freikirchen heraus: Dass es ein neues Leben in Christus gibt, habe man neu betont und Bekehrung und Wiedergeburt wieder gelehrt.

Als Anstoss wirkte, so Mauerhofer, dass die frohe Botschaft verkündigt wurde und neue Gemeinden entstanden. Er schloss mit dem Wunsch, „dass ihr das Erweckliche in unser Land hineintragt". Ruth Käser vom Evangelischen Gemeinschaftswerk EGW wies in ihrem Grusswort darauf hin, dass Berger 1908 mithalf, die Eigenkonferenz zu gründen, und etwa zehn Jahre mitwirkte.

Auf die Jungen setzen

Die Eltern von EVP-Nationalrat Walter Donzé traten infolge des Wirkens von Fritz Berger in den Brüderverein ein. Er und seine Frau verliessen ihn; weitere Horizonte hätten sich ihnen in der Mission eröffnet, sagte Donzé. „Miteinander leben wir von der Vergebung durch Christus." Wichtig sei, nicht auf Tradition zu setzen, sondern auf die Dynamik, die der Heilige Geist wirkt. „Vertrauen wir auf die junge Generation, die Jesus liebt", mahnte der Berner Oberländer Politiker. Es sei gut, dass sie vorangehe. Martin Hunziker, Pastor der Mennoniten in Langnau, erinnerte an die kurzen Hosen und Kniesocken, die er als kleiner Bub im EBV getragen hatte. Den neuen Namen legte er als Auftrag zur Begegnung und Beziehung aus: „Gemeinde für Christus und für den Nächsten".

Versöhnung mit der VFMG

Markus Häsler sprach das schwierigste Kapitel der neueren EBV-Geschichte an. Für den Präsidenten der Vereinigung freier Missionsgemeinden VFMG, die 1967 durch Trennung vom Brüderverein entstand, haben sich die Schwerpunkte der Arbeit in den letzten Jahren sehr angenähert. Beat Strässler hatte zuvor in seinem Kurzportrait das Versöhnungstreffen vom 16. Mai dieses Jahres erwähnt, an dem verschiedene Punkte „angesprochen und bereinigt" wurden. Das neu versöhnte Nebeneinander ermöglichte Häsler zu sagen, 1967 sei die VFMG aus dem Brüderverein „herausgewachsen". Und er stellte die Frage, ob die Freien Missionsgemeinden heuer 42 - oder auch 100 - Jahre feiern sollten...

„Fritz wider fürenäh"

Peter Schwab, reformierter Pfarrer von Trachselwald, verband seine guten Wünsche mit der Bemerkung, es komme darauf an, das Vertrauen der Menschen zu stärken. Markus Nafzger vom Blauen Kreuz rief den Anwesenden in Erinnerung, dass es „Menschen mit Herzblut braucht, die den kleinen Mann wie den hohen Beamten sehen und mit ihm ein Gespräch führen". Die Brüder und Schwestern sollten „wirklich für Christus leben" und nach dem Vorbild ihres Gründers hinaustreten: „Fritz wider fürenäh".Ein Bericht vom Fest-Sonntag in Heimisbach folgt.
Webseite der Gemeinde für Christus:
www.gfc.ch
Artikel zum Thema: Aufbruch: Aus dem Brüderverein wird die "Gemeinde für Christus"
Datum: 07.07.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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