Karriere in der Bibel (6)

Das Ziel vor Augen

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Wer sich viel vornimmt, muss sich gegen Selbstüberschätzung wie auch Frustrationen wappnen. Bei Widerständen und schwindenden Kräften kommt die Stunde der Wahrheit für ein Vorhaben. Ein in der Bibel beschriebenes Bauprojekt zeigt: Vertrauen auf Gott und der zielstrebige Einsatz aller Kräfte gehen zusammen.

Jerusalem um 445 vor Christus. Ein Mann kommt aus dem fernen Susa, der Hauptstadt des persischen Imperiums, an. Er weist Empfehlungsschreiben des Grosskönigs vor. Was will Nehemia hier? Die Babylonier hatten die Hauptstadt des Kleinstaats Juda bei der Eroberung 140 Jahre zuvor in Trümmer gelegt und die Tore angezündet. Zwar haben jene Judäer, die aus dem Exil zurückkehrten, ihre Häuser wieder aufgebaut. Doch von der Stadtmauer sind bloss erbärmliche Reste übrig.

Erkundung im Mondschein

Nehemia hatte am persischen Hof eine hohe Stellung inne. In der Stadt rätselt man, was ihn zu seiner mühevollen Reise bewogen hat. Einige Tage später weiss man mehr. Nehemia hat in einer mondhellen Nacht auf der Südseite der Stadt einen Augenschein von der einstigen Befestigung genommen. «Kommt, lasst uns die Mauer Jerusalems wieder aufbauen, dann sind wir nicht länger ein Anlass für Gespött», ruft er den erstaunten Einheimischen zu.

Zuversichtlich und ohne Verzug handeln

Sanballat und Geschem, die Chefs der persischen Provinz Samaria und des südlich angrenzenden Gebiets, reagieren prompt: «Wollt ihr euch gegen den König auflehnen?» Nehemia hat sich mit den Empfehlungsschreiben des Herrschers ausgewiesen. Die Unterstellung bringt ihn nicht aus dem Konzept. Den Gegnern lässt er ausrichten: «Der Gott des Himmels, er wird es für uns gelingen lassen! Und wir, seine Diener, werden uns aufmachen und bauen.» Und dies ohne Verzug. Die Grossfamilien der Stadt und ihre ausserhalb lebenden Verwandten bekommen je einen Teil der Stadtmauer zugeteilt. Männer machen sich ans Ausbessern und Schliessen von Lücken, einer nimmt seine Töchter mit auf den Bau.

Intensivieren und absichern

In Samaria lösen die Arbeiten Spott und zunehmend Wut aus. Jeder Schakal, der hinaufspringt, könne die Mauer zum Einsturz bringen, höhnt ein Beamter. Im Geheimen erwägen die feindlichen Provinzchefs einen Raid. Er soll die Jerusalemer und Nehemia entzweien. Inzwischen sind die Männer der Stadt müde von der wochenlangen Anstrengung. «So viel Schutt!», ist zu hören, «wir schaffen es nicht, an der Mauer zu bauen.»

Nehemia erfährt vom geplanten Raid – und lässt sich nicht abbringen. Sein Vorgehen angesichts der Widerstände ist exemplarisch und könnte in einem Handbuch stehen:

  • Er ruft Verantwortliche und Bauleute zusammen und leitet sie zum Beten an.

  • Er stellt Wachen auf, die 24 Stunden auf ihrem Posten sind.

  • Er beordert Leute, die nicht bauen, an die wahrscheinlichsten Einfallstellen und rüstet sie mit Schwertern und Speeren aus.

  • Er versammelt das Volk und stärkt ihm in Anwesenheit der führenden Männer der Stadt den Rücken: «Denkt an den grossen und furchterregenden Herrn, und kämpft für eure Brüder, eure Söhne und eure Töchter, eure Frauen und eure Häuser!»

  • Von den jungen Männern arbeitet die Hälfte am Bau, die andere wacht.

  • Die Arbeitszeit wird ausgeweitet: Vom Morgengrauen bis in die Nacht stellen die Bauleute Mauer und Tore wieder her, jeder mit dem Schwert an der Hüfte.

  • Nehemia hat den Bläser, der mit Schofarhorn Alarm geben kann, ständig bei sich. Bei einem Angriff sollen sich alle dorthin begeben, wo der durchdringende Schofar ertönt.

  • Nehemia verbreitet Zuversicht: «Unser Gott wird für uns kämpfen!»

Interne Spannungen ernst nehmen und beheben

Da bricht eine innere Front auf: Arme Jerusalemer machen ihrer Empörung in einer lärmigen Demo Luft: Ihnen fehlt das Geld, um sich mit Weizen zu versorgen. Sie müssen ihr Hab und Gut, Felder und Rebberge verpfänden und Kinder als Schuldsklaven hergeben. Nehemia gerät in Zorn, handelt aber nicht überstürzt. Er bestellt die Reichen, Händler und Vorsteher der Stadt zu sich und prangert den Wucher an.

Ein gutes Beispiel geben

Dann versammelt er die Leute und erinnert daran, dass alles dafür getan wurde, um nach der Deportation versklavte Judäer freizukaufen. In der Heimat darf die Sklaverei nicht wieder einreissen! Er ruft die Vermögenden auf, die Schulden zu erlassen und den Besitz zurückzugeben. «Solltet ihr nicht in der Furcht vor unserem Gott leben angesichts des Hohns der Nationen, unserer Feinde?» Die Reichen geben nach. Nehemia lässt sie vor den Priestern schwören, dass sie Schulden erlassen. Im Gegensatz zu den Vorgängern verzichtet der Gouverneur auf alle Bezüge, die ihm zustehen – zwölf Jahre lang. Er packt selbst beim Mauerbau an. Seine junge Mannschaft hockt nicht untätig herum, sondern wird eingesetzt. Nehemia verköstigt sie aus eigenen Mitteln.

Kein Raum für Furcht

Sanballat und Geschem geben sich noch nicht geschlagen: Sie laden Nehemia viermal zu einem Treffen ausserhalb Jerusalems ein. Er lehnt ab. Darauf sendet Sanballat einen Boten mit einem nicht versiegelten Schreiben. Jeder kann darin die Anschuldigung lesen, Nehemia wolle gegen Persien rebellieren und selbst König werden. Nichts von alledem ist wahr! lässt Nehemia den Boten zurückmelden. Die Absicht einzuschüchtern ist offensichtlich. Zur psychologischen Kriegführung gehört auch, dass ein Jerusalemer ihm rät, sich ins Innere des Tempels zurückzuziehen und die Türen zu verriegeln. «In der Nacht kommt man, um dich umzubringen.» Dazu ist Nehemia nicht bereit. «Ein Mann wie ich soll fliehen? Ich gehe nicht hinein.» Er erkennt: Sanballat und Co. haben den Mann gekauft, um sein Ansehen zu zerstören.

Fest mit Tiefgang

Nach 52 Tagen ist der Mauerring um Jerusalem wieder intakt. Noch bleibt viel zu tun – aber die Stadt liegt nicht mehr wehrlos da. Die Versuche, Nehemia und die Judäer einzuschüchtern, sind gescheitert. In den Toren werden Torflügel eingehängt. Nehemia delegiert Kompetenzen, um sich langfristigen Aufbauprogrammen zu widmen. Und feiert mit den Leuten ein grosses Fest. Dabei wird aus der Geschichte des Volks vorgelesen. Gelehrte erklären die Weisungen des Gesetzes, das Mose von Gott erhielt. Hätte man es gehalten – Jerusalem wäre nicht zerstört worden… Die Menge weint. Zusammen mit dem leitenden Priester muntert Nehemia sie auf: «Weint nicht! Geht, esst Fettes, und trinkt Süsses, und gebt davon denen ab, für die nichts zubereitet wird… Und seid nicht bekümmert, denn die Freude an unserem Gott Jahwe, sie ist eure Zuflucht!»

Das Vorgehen Nehemias beim Mauerbau ist beschrieben in der Bibel, Nehemia 2-8.

Karriere in der Bibel - Die Serie:
Auf dem Schleudersitz: Obadja
Ratgeber mit Vision: Micha
Auf Umwegen zum Ziel: Kaleb
Erfolg hängt von Werten ab: Lot
Auszeit nach Aufstieg: Nehemia (1)


Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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