Der
Theologe Michael Berra hat viel über die Beziehung mit Gott geforscht. Im
Livenet-Talk gibt er Einblicke in wichtige Erkenntnisse.
Was bedeutet es konkret, wenn Christen über die
persönliche Beziehung mit Gott sprechen? Im Livenet-Talk spricht Chefredaktor
Florian Wüthrich mit Michael Berra (Theologe aus Rapperswil/Kirche Prisma).
Beziehung mit Gott ist die Mitte des Glaubens
«Beziehungen sind momentan im Trend», ist Michaels
grundsätzliche Beobachtung. Entsprechend werden bei Christen Ausdrücke wie
«Beziehung mit Gott» gerne und oft verwendet. «Manchmal wissen wir aber gar
nicht so recht, was wir damit eigentlich meinen.» Grundsätzlich kann die
Gottesbeziehung kaum überbetont werden. «Die Beziehung mit Gott muss die Brille
sein, wie wir unseren Glauben und das Christsein verstehen.»
Sogar die Welt
sollte aufgrund unserer Gottesbeziehung verstanden werden. Als Theologe hat Michael
hinsichtlich der Beziehung mit Gott geforscht und kam zum Schluss, dass die
Bibel in erster Linie ein Beziehungsbuch ist. «All unsere grossen Begriffe,
gewichtige Wörter wie Gnade, Sünde oder Gerechtigkeit, sind
Beziehungsbegriffe.»
Zeit ist ein wichtiger Faktor
«Wenn ich eine bessere Beziehung mit meiner Frau will,
verbringe ich mehr Zeit mit ihr – also ist Zeit ein wichtiger Faktor.» Mit
diesem Vergleich bringt Michael das Wesentliche unserer Beziehung mit Gott auf
den Punkt. Jede Beziehung kostet Zeit und in der Beziehung mit Gott ist das
nicht anders. «Die Zeiten, in denen ich mit Gott Beziehung pflege, sind auch
nicht immer glorreich», erzählt er aus seinem persönlichen Glaubensleben. «Ich
fühle mich nicht immer auf Wolke sieben. So ist das bei jeder Beziehung.»
Das
Ziel sei immer Intimität und es lohnt sich, Zeit zu investieren. Vielleicht
sind die Früchte nicht immer sofort erkennbar, langfristig werden sie aber
nicht ausbleiben.
Zwei Arten von Beziehungen
Aus der Forschung sind zwei Modi bekannt, wie
Menschen ihre Beziehungen leben. Der erste ist so quasi der Standardmodus.
Michael spricht von einem Austauschmodus. «Ich investiere etwas, erwarte aber
auch, dass etwas zurückkommt.» Wenn wir dann das Erwünschte nicht kriegen,
suchen wir es an anderem Ort, in einer anderen Beziehung.
Es gibt aber auch Beziehungen, in welche um ihrer
selbst investiert wird. Ein Beispiel dafür ist die Mutter, die allein deshalb
in die Beziehung mit ihrem Kind investiert, weil ihr diese Beziehung wichtig
ist. Sie erwartet nichts anderes. «Entweder ist die Beziehung Mittel zum Zweck
oder die Beziehung wird selbst zum Zweck.» So fasst Michael die beiden Modi
zusammen. Und dann stellt er die Frage, welcher Art von Beziehung wir mit Gott pflegen.
Über Identität und die Tiefe von
Beziehungen
«Identität ist angelegt in Beziehung», erklärt
Michael. «Identität kriegst du von aussen, von anderen Menschen.» Kindern wird
von ihren Eltern gesagt, wer sie sind und letztlich ist es Gott, der uns sagt,
wer wir wirklich sind. Auf jeden Fall finden wir unsere Identität in der
Beziehung mit einem Gegenüber.
Michaels Vater hat seine Familie verlassen und
deshalb hatte Michael mit ihm nie eine tiefe Beziehung. Trotzdem war immer eine
Beziehung da. «Manchmal scheint mir, als hätten wir eine ähnliche
Beziehung mit Gott.» Genügt es uns, einfach eine Beziehung mit Gott zu haben
oder bemühen wir uns um eine tiefe, intime Beziehung?
Beziehung zu Menschen
Eine tiefe Beziehung zu Gott wird Auswirkungen
auf unsere Beziehungen zu Mitmenschen haben. Dabei kommt Michael auf den
Begriff «evangelistischer Kontakt» zu sprechen. «Ist das nicht oftmals ein
typischer Fall einer Tauschbeziehung?», fragt er. «Man pflegt eine Beziehung mit
einer Person in der Hoffnung, dass diese sich bekehrt.» Falls es nicht so weit
kommt, hat dann die Beziehung versagt? Gehen wir dann einfach zur nächsten
Person? Oder sehen wir eine Person als von Gott geliebt? Dann wird es zu
unserem Anliegen, die Beziehung zu diesem Menschen so zu suchen, wie es auch
Gott tut. So spiegeln wir etwas von der Liebe Gottes wider.
Im Livenet-Talk geht es auch darum, welchen
Einfluss unsere Beziehung mit Gott in unserem Alltag haben kann und wie wir im
Gottesdienst Räume für Gottesbegegnungen öffnen können.