Im Alltag stolpern wir immer wieder über die eigenen Fehler und haben Mühe, zu unserer Unvollkommenheit zu stehen. Aber wie viel Perfektionismus brauchen wir, um von Gott angenommen zu sein?
Angeregtes Plaudern, Kaffeeduft, Nadelklappern, Katzenschnurren,
angenehme Atmosphäre. Und ich mittendrin. In der Hand mein Stickbild, die
Nadel fest in der Rechten, auf den Knien die Vorlage. Ich weiss, wie es
werden soll, bin gut vorangekommen. Es wird schön.
Ein kleiner Verzähler
Mist! Ich habe mich
verzählt. Und ich merke es zu spät. Die Fäden sind bereits vernäht,
Wiedergutmachen ist nicht drin. Ich habe einen Fehler gemacht, und der
wirkt sich auf die unmittelbar angrenzenden Stiche aus. Das Bild wird
der Vorlage nicht mehr hundertprozentig gleichen.
Es fällt mir nicht schwer, diesen Fehler
zuzugeben. Mein Ärger über mich ist bald verraucht. Dem Gesamtbild
schadet es ja nicht. Keiner wird sich überdies die Mühe machen, die
Kreuzchen der Vorlage mit meinen Stichen zu vergleichen. Alles halb so
schlimm.
Unvollkommene Vorbilder
Die anderen Frauen in der Runde ermutigen mich,
es gelassen zu nehmen. Denn: Nobody is perfect! Das sagen wir immer
wieder: Niemand ist perfekt! Aber wir wären es trotzdem gerne! Wer gibt
im «richtigen Leben» schon frisch fröhlich Fehler zu? Wer gesteht sich
ein, dass das Leben womöglich selbstverschuldet eine andere Richtung
nahm als geplant oder erhofft?
Wieviel entgeht uns, weil wir warten, bis wir
erst richtig gut sind? Wir laden erst dann Gäste ein, wenn die Wohnung
glänzt. Wir trauen uns erst, in der Musikgruppe zu spielen, wenn wir
zehn Jahre Klavierunterricht hinter uns haben.
Nicht einmal in der Bibel finden wir perfekte Menschen:
Noah betrank sich
Jakob war ein Lügner
Moses ein Totschläger
Gideon hatte Angst
Rahab war eine Prostituierte
David hatte eine Affäre
Jeremia war depressiv
Jesaja predigte nackt
Jona rannte vor Gott weg
Petrus war jähzornig
Auch Jesus musste auf unvollkommene Männer wie Petrus zurückgreifen. Und sie durften auch Fehler machen. Ich möchte damit nicht der Mittelmässigkeit das Wort reden, aber Mut machen zur Barmherzigkeit mit sich und mit anderen.
Ausserdem: Wo es unvollkommen zu geht, wachsen Spontaneität, Liebe, Vergebung und Humor. In einer solchen Atmosphäre getrauen sich auch Zaghafte, mit anzupacken.