«Der Herr ist auferstanden.» – «Er ist wahrhaftig auferstanden.» So
grüssen sich Christen seit Generationen zu Ostern und knüpfen damit an
die lebendige Hoffnung an, die die Bibel verbreitet. Ostern bedeutet
nicht, dass eine Idee weitergeht, dass eine Sache nicht aufhört, sondern
dass Jesus Christus lebt und die Freundschaft mit ihm kein Ende hat. So
hat es Maria erlebt an diesem ersten Ostersonntag…
Maria aus Magdala im Film «Son of God»
Mitten in der Dunkelheit
«Am ersten Tag der neuen Woche, frühmorgens, als es noch dunkel war, ging Maria aus Magdala zum Grab. Sie sah, dass der Stein, mit dem man das Grab verschlossen hatte, nicht mehr vor dem Eingang war.» (Die Bibel, Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 1).
Johannes ist ein Meister der Beschreibung. Als er mit wenigen Worten skizziert, was nach dem Tod von Jesus geschieht, reicht ihm die Beschreibung der Dunkelheit, um Tageszeit und inneren Zustand der Jüngerinnen und Jünger zusammenzufassen: Sie sehen schwarz. Heute erkennen wir im Rückblick viele Indizien für eine Osterhoffnung, entdecken Verheissungen darauf, dass es weitergehen würde. Doch damals war alles «dunkel». Hoffnung war auch für Maria aus Magdala zum Fremdwort geworden.
Maria hatte entdeckt, dass der Stein vom Grab weggewälzt und die Höhle dahinter leer war. Sie hatte zwar Petrus und den anderen Bescheid gegeben, doch ihre Kraft reichte nur bis zum Gang vor das Grab. Hier liess sie ihrer Trauer freien Lauf und nahm damit in Kauf, dass sie selbst bestraft wurde. Im Römischen Reich war es nämlich verboten, um einen Gekreuzigten zu trauern. Wer um ihn klagte, konnte schnell selbst am Kreuz landen.
Aber Marias Liebe war grösser als ihre Vorsicht oder Vernunft. Und diese Liebe war das einzige, was ihr geblieben war. So trauerte sie um ihren Herrn. Sie litt an seinem Tod, seinem Verschwinden und der eigenen Hoffnungslosigkeit. Waren ihre Tränen nicht umsonst? Natürlich, denn was konnten sie an der Situation schon ändern. Waren sie wirklich umsonst? Natürlich nicht, denn Jesus sieht das, was aus Liebe zu ihm geschieht – und er antwortet darauf. Liebe zu Jesus, mit all ihren scheinbar nutzlosen Ausdrucksformen, läuft nie ins Leere.
Angesprochen und erkannt
«Warum weinst du, liebe Frau?, fragten die Engel. […] Warum weinst du, liebe Frau?, fragte er [Jesus] sie. […] Maria!, sagte Jesus. Da wandte sie sich um und rief: Rabbuni!» (Die Bibel, Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 13–16).
Maria steckte noch fest in ihrer Trauer, da begegnete Gott ihr bereits. Und wie so oft bei solchen Begegnungen mit einer Frage und nicht mit einer Antwort. Weder die Engel noch Jesus selbst nutzten diese Gelegenheit für theologische Erklärungen, Zurechtweisung oder ausführliche Begründungen. Die tastende Begegnung mit Maria hat auch von Jesus' Seite einen beinahe fragenden Charakter. Wie sollte er sich ihr zeigen? Die Männer in der Gruppe waren zu sehr mit den Fakten beschäftigt, also sprach Jesus Maria an. Aber auch ihr durfte er weder zu schwach noch zu stark begegnen. Eine dezente Andeutung hätte ihr nicht weitergeholfen. Sie hätte ihre Überzeugung, dass Jesus tot war, nicht durchbrechen können. Ein zu massiver Auftritt dagegen hätte die Schuldfrage (immerhin hatten alle Jünger Jesus verlassen) wieder neu in den Mittelpunkt gerückt.
Stattdessen sprach Jesus sie an wie immer: «Maria!» Und mit diesem einen Wort, mit dieser direkten Ansprache, durchbricht Gott den ohnehin nur hauchdünnen Abstand zu seiner Nachfolgerin. Ihr Name ist gleichzeitig Gruss, tröstendes Aufrichten und die freundliche Frage: «Kennst du mich nicht mehr?» Mit diesem einen Wort ist Maria angesprochen von Hoffnung, ihr Trauerschleier zerreisst. Sie ist erkannt und erkennt selbst. Und so reicht ihr auch ein einziges Wort als Antwort: «Rabbuni. Mein Herr. Mein Meister.»
Hoffnung und Leben
Viele Christen weisen auf die Logik der Auferstehung hin. Sie zeigen, dass es von Gottes Geschichte mit den Menschen her gedacht gar keine andere Möglichkeit gibt. Sie weisen hin auf die historische Qualität der Auferstehungsberichte. All das mag seinen Stellenwert haben. Doch es ersetzt nicht diese beiden Worte, die Jesus und Maria austauschen. Diese Worte, in denen so viel mitschwingt an Freude, Verständnis und dem plötzlichen Wissen, dass alles wieder gut ist. So, wie Jesus damals Maria ansprach, spricht er uns bis heute an: «Ich bin's. Kennst du mich nicht mehr? Dein Schöpfer, der dich aus Liebe ins Dasein gerufen hat. Erkennst du meine Stimme? Ich bin da, mitten in deinem Leid, deiner Dunkelheit. Und stell dir vor: Ich lebe!»
Da war sie wieder für Maria: diese Botschaft der Hoffnung. Jesus hatte sie befreit aus einem Leben voll Okkultismus, Depression, Elend und Scham. Er war zur Mitte ihres Lebens geworden. Und jetzt hatte sie diese Mitte wiedergefunden. Da ist sie wieder für jeden von uns: diese Botschaft der Hoffnung. Jesus ist mehr als ein guter Gedanke. Er ist Gott und sagt uns zu: «Ich lebe! Ich bin deine lebendige Hoffnung. Wenn du noch denkst, dass alles dunkel und verloren ist, dann bin ich bereits auferstanden. Wenn du dich noch fragst, wie das Leben weitergehen soll, rufe ich dich bereits bei deinem Namen.»