Mehr als ein Gebäude: Solidarität nach Kirchenbrand
Ein lodernder Kirchturm vor Weihnachten, bestürzte die Einwohner von Herzogenbuchsee BE. Doch das 7'000-Seelendorf bleibt nicht in der Schock-Starre, sondern packt beim Wiederaufbau an und spendet Geld – dies sogar unaufgefordert!
Kirchhügel nach dem Brand
Die Bilder
vom brennenden Kirchturm gingen an Weihnachten 2019 durch das ganze Land (Livenet berichtete). An Heiligabend stand die Spitze der reformierten Kirche im bernischen Herzogenbuchsee
in Flammen und erinnerte an die Katastrophe der grossen Schwester, Notre Dame,
in Paris. Der Brand hatte zu einem Millionenschaden geführt, der jedoch von der
Versicherung gedeckt ist. Dann, am 25. Dezember und einer vorersten Beruhigung, brach
das Feuer erneut aus. Ein Teil des Turms, der sogar das Kirchen-Logo schmückt,
stürzte ins Kirchenschiff hinein. So kam Herzogenbuchsee bis heute nicht richtig
zur Ruhe.
Bewahrung im Brand
Aber bald einmal
setzte eine Welle der Solidarität ein, die sich zur Kirchgemeinde stellte und Hilfe anbot. Anfang letzter
Woche waren bereits Spenden in der Höhe von Fr. 22'000.- beisammen. Dies geschah ohne Aufruf! Die Kirchgemeinde richtete erst auf
häufige Anfrage der Bevölkerung ein Konto dafür ein.
Die berühmten
Kirchenfenster Eugène Burnands und die 2'400 Orgelpfeifen blieben unbeschädigt. Wogegen
die Orgel selber, einen beträchtlichen Schaden erlitt.
Die Gottesdienste
werden vorläufig im Kirchgemeindehaus gefeiert.
Mit ist schwierig, aber
ohne Kirche geht auch nicht
Der Kirchenturm während dem Brand
Das
solidarische Mittragen reisst nicht ab, was gerade in Zeiten des Mitgliederschwunds
in der reformierten Landeskirche beachtlich ist. Livenet befragte den
Kirchgemeindepräsidenten, der seit dem Brand fast rund um die Uhr mit
Mensch und Medien beschäftigt ist.
Livenet:
Wie erleben Sie selber die Solidarität der Bevölkerung?
Christoph
Tanner: Die
Solidarität ist gross. Schon beim Brand sahen wir viele Menschen, die das Geschehen mit Tränen in
den Augen verfolgten. Spontan wurde Hilfe angeboten; zum Beispiel
Hilfe beim Aufräumen, Hilfe beim Einrichten der Räume im Kirchgemeindehaus für
die Gottesdienste et cetera. Auch Kinder haben uns Zeichnungen gesandt.
Wie
erklären Sie sich diese Dynamik, obwohl sonst allgemein die Kirche nicht mehr
so gefragt ist (Mitgliederschwund etc.)?
Auch für
Menschen, die nicht mehr viel mit der Kirche «am Hut» haben, ist das Gebäude
wichtig. Sie wurden hier getauft, konfirmiert, feierten vielleicht sogar
Hochzeit oder mussten sich von einem Familienmitglied verabschieden.
Zudem steht unsere Kirche etwas erhöht am schönsten Platz unseres Dorfes und ist
dank ihrer Fenster von Eugène Burnand bekannt. Chöre und Orchester aus der Region und dem Kanton führen gerne ihre Konzerte
hier durch.
Wozu
werden die Spenden benutzt, wenn der Brand per Versicherung gedeckt ist?
Einigen
Personen war es ein Bedürfnis Geld zu spenden. Viele Anfragen trafen bei uns
ein. Deshalb wurde ein Spendenkonto errichtet.
Gut schweizerisch ist unsere Kirche versichert. Trotzdem wird es Ausgaben
geben, die nicht versichert sind. Die Möglichkeiten für die Verwendung der Spendengelder werden geprüft. Ideen sind
vorhanden, zum Beispiel:
Aus
den Trümmern der Turmspitze ein Kunstwerk erstellen, welches dann als Erinnerung (Denkmal) im Kirchhof installiert würde.
Über den
Brand und den Wiederaufbau eine Dokumentation produzieren, die in Wort und Bild die
Geschichte der Kirche fortsetzt.
Zur Webseite der Ev.-ref. Kirchengemeinde Herzogenbuchsee
Der ehemalige BBC-Frühstücksmoderator Dan Walker hat kürzlich in einem Interview mit der britischen Zeitung «The Guardian» über die Bedeutung seines...