Schwimmendes Krankenhaus bricht auf nach Madagaskar
Die Ärzte sind Spezialisten auf ihrem Gebiet. Operiert wird im Stundentakt, und zum Mittag treffen sich die Pfleger gern in der Kantine. Doch «Africa Mercy» (»Barmherzigkeit») ist kein gewöhnliches Krankenhaus, sondern das grösste nichtstaatliche Krankenhausschiff der Welt.
Die «Africa Mercy» ist heute das grösste private Krankenhausschiff das die Weltmeere durchkreuzt
Früher war es eine Transportfähre für Züge – bevor es für mehr als 54 Millionen Franken zum Spitalschiff umgebaut wurde. Mit 150 Metern Länge und mehr als 16'000 Tonnen ist es heute das grösste private Krankenhausschiff, das derzeit die Weltmeere durchkreuzt. Nächste Woche bricht die schwimmende Klinik von Kapstadt nach Madagaskar auf, wo sie für die kommenden zehn Monate haltmacht.
«An Bord der Africa Mercy geht es darum, etwas zu bewegen und den Menschen Hoffnung zu geben», sagt der Pressesprecher der Klinik, Kyle Siemens. Jedes Jahr steuert das Hospitalschiff einen neuen Hafen in Afrika an. Ihren Felddienst verbringt die schwimmende Klinik immer dort, wo die Menschen ihre Hilfe gerade am dringendsten benötigen, weil es vor Ort an Fachärzten mangelt oder Patienten das Geld für eine Operation fehlt. Direktor von Africa Mery ist der Schweizer Roland Decorvet, ehemals Direktor von Nestlé Schweiz.
In Lausanne gegründet
Deyon und Don Stephens sind die Gründer der Flotte «Africa Mercy»
Den schleichenden Tod durch Afrikas bröckelnde Gesundheitssysteme hatte Don Stephens bereits 1978 erkannt. Etwa die Hälfte der Menschen südlich der Sahara hatten keinen Zugang zu einem Krankenhaus. In Lausanne (Schweiz) gründete Stephens deshalb die Organisation «Mercy Ships». Mit der Unterstützung von 17 Regionalbüros in aller Welt konnten die Krankenhausschiffe seitdem mehr als eine halbe Million Patienten behandeln. Die Eingriffe sind kompliziert: Gesichtstumore, Lippenspalten, eingewachsene Zähne und krankheitsbedingte Blindheit zählen zu den Schwerpunkten des Ärzteteams.
«Wir sind kein Ersatz für das staatliche Gesundheitssystem, viel eher eine Ergänzung», so Siemens. Lokale Ärzte hätten zwar oft die Expertise für die Eingriffe, aber ihre Methoden seien oft veraltet, oder sie verfügten nicht über die nötigen Geräte. «Wenn wir in einen Hafen einlaufen, haben die Menschen zuerst Angst vor uns. Es kursieren wilde Gerüchte, wir würden ihre Körperteile mit jenen von Tieren austauschen oder würden den Blinden schwarze Linsen einsetzen.» Genauso schnell verbreite sich dann in den Städten und Dörfern jedoch die Nachricht, dass auf der «Africa Mercy» Gutes getan werde. «Recht bald hat jeder einen Onkel, Cousin oder eine Schwester, der oder die an Bord behandelt wurde, und man sieht die positive Veränderung.»
Alle arbeiten ohne Bezahlung
Vom Kapitän über den Pressesprecher bis hin zu den Ärzten und Pflegern arbeitet die gesamte Crew ohne Bezahlung. Einige der Freiwilligen begleiten die «Africa Mercy» schon seit vielen Jahren; viele zogen hier sogar ihre Kinder gross. Neben einem Kindergarten, einer Schule, einem Postbüro und einer Kirche stehen den Freiwilligen an Bord eine Wäscherei, ein Restaurant, ein Lebensmittelladen und ein Starbucks-Café zur Verfügung. Trotz solcher Annehmlichkeiten – der Arbeitsalltag ist stressig und bedrängt. An Behandlungstagen tummeln sich mehr als 700 Mitarbeiter an Bord.
Hoffnung auf einen Neuanfang
Mit Spannung wartet die Besatzung auf die einwöchige Fahrt nach Madagaskar. 2009 wurde der Inselstaat in eine schwere Krise gestürzt, als sich der ehemalige Discjockey Andry Rajoelina an die Macht putschte. Die Wirtschaft kam zum Erliegen, und Geberländer froren ihre Hilfen ein. Mittlerweile keimt aber die Hoffnung auf einen Neuanfang. 2013 hielt das Land erstmals wieder demokratische Wahlen ab. Auf Einladung des neuen Staatspräsidenten Hery Rajaonarimampianina kommt nun die «Africa Mercy» zu Hilfe.
Vor allem Weiterbildung der lokalen Mediziner
Dass ihre Zeit in jedem Einsatzland begrenzt ist, darüber ist sich die Besatzung bewusst, berichtet Siemens. An erster Stelle stehe darum die Weiterbildung lokaler Mediziner. Bei jedem Einsatz gebe das Ärzteteam sein Wissen an 6 Ärzte und 40 Pfleger aus dem jeweiligen Land weiter. Daneben unterrichte ein Agrarexperte auf dem Schiff die Bevölkerung in Landwirtschaftstechniken; für Unternehmer gebe es Führungsseminare. «Unser Ziel ist es, uns auf lange Sicht hin überflüssig zu machen.»
Wegen Ebola-Krise Pläne geändert
Wie die Trägerorganisation Mercy Ships bekanntgab, bewog der Ausbruch von Ebola in Westafrika die Leitung der «Mercy Africa» dazu, ihre Pläne zu ändern und anstelle von Benin und Guinea nun – früher als geplant – Madagaskar anzulaufen. Die «Mercy Africa» ist ein spezialisiertes Operationsschiff mit Mehrbettzimmern und sehr begrenzten Isolationsmöglichkeiten. Mit einer Crew von über 400 Personen aus 40 Nationen, darunter Familien mit kleinen Kindern, sei die «Mercy Africa» nicht geeignet, Ebola-Patienten in Quarantäne aufzunehmen.
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