Über Liebe gibt es viele Meinungen und Mythen. Für den Berater Rolf Lindenmann ist klar, wo sie zu finden ist: Gott ist die Quelle der Liebe, sagt er im Interview. Wer bei ihm andockt, dem fällt es leichter, sich selbst und andere zu lieben.
Jesus.ch: Was kommt Ihnen zum Begriff «Liebe» in den Sinn? Rolf Lindenmann: Für mich ist Gott die Liebe, so wie ich sie verstehe und sehe. Gott ist der Schöpfer allen Lebens, und er ist uneingeschränkt für uns. Er hat das Wohl von jedem einzelnen Menschen im Sinn und im Auge. Seine Liebe ist eine dienende Liebe, sie ist nicht besitzergreifend. Sie vergibt. Sie ist wahr und deckt auf ohne sich abzuwenden. Alle menschliche Liebe ist im Grunde genommen nur ein Abglanz von dieser reinen, göttlichen Liebe.
«Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst» wird in der Bibel als zentrales Gebot bezeichnet. Was steckt dahinter?
Es ist der zweite Teil eines Gebotes, das im Lukas-Evangelium, Kapitel 10, Vers 27 nachzulesen ist. Er hängt eng mit dem ersten Teil zusammen, der uns dazu auffordert, Gott mit unserem ganzen Sein, von ganzem Herzen und ganzer Seele zu lieben. Wer sich von Gott geliebt weiss, kann auch sich selbst
annehmen und lieben. Liebe ist immer ganzheitlich. Es gibt nur eine Liebe: Sie fliesst von Gott zu mir und dann weiter zu meinem Nächsten.
Manchmal ist uns nicht danach, unsere Mitmenschen zu lieben. Wie schaffen wir es trotzdem?
Wir können unsere Gefühle nicht manipulieren. Wir müssen uns berühren und ergreifen lassen von Gottes Liebe. Sie ist immer da. Gott liebt meinen Nächsten genauso wie mich. Die Liebe sieht im andern was schon ist und auch das, was noch nicht geworden ist. Gott will, dass wir zur vollen Entfaltung all dessen gelangen, was er in uns hineingelegt hat. Dieses Bewusstsein hilft uns, auch unsere Mitmenschen mit den Augen der Liebe (Gottes) zu sehen.
Was können wir von Jesus lernen in Bezug auf die Nächstenliebe?
Immer wieder an die Quelle zu kommen, Einheit und Gemeinschaft mit Gott, unserem Vater im Himmel, zu suchen. Es ist ein grosses, aber wunderbares Geheimnis: Durch seinen Geist lebt Gott in uns und wir in ihm. Diese Verbindung macht uns fähig zu lieben. Jesus hat immer zuerst die Not der Menschen
gesehen. Er hat niemanden verurteilt. Im Gegenteil, er schenkte den Menschen Würde, waren sie auch noch so verachtet. Er half und heilte.
Was können wir tun, wenn wir Gottes Liebe nicht spüren?
Eine Liebesbeziehung will gepflegt sein. Es ist wichtig, regelmässig mit Gott zu reden und in seinem Wort zu lesen. Die ganze Bibel ist ein Liebesbrief von Gott an uns Menschen. Wir können Gott auch konkret bitten, uns seine Liebe spüren zu lassen. Manchmal haben wir uns von ihm entfernt, weil uns andere Dinge oder Menschen wichtiger geworden sind. Aber wir können Gott jederzeit unser Herz ausschütten. Der Weg zurück ist immer offen. Er wartet auf uns,
klagt uns nicht an und wird uns ewig lieben.
Rolf Lindenmann (75), Dr. phil., Biologe, ist als Coach und Berater tätig. Er lebt in Grüt im Zürcher Oberland.
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