Befähigen – ein
grosses Wort. Doch letztlich bedeutet es, den anderen zu ermutigen, fürs
Leben vorzubereiten, das Gute im anderen hervorzuheben. So definierten ihn
zumindest die drei Gäste des Livenet-Talks, die sehr persönlich aus dem
eigenen Leben berichteten, wer sie zur Verantwortung befähigte und wie sie
heute andere Frauen ermutigen.
Livenet-Talk mit Corina Grossniklaus, Debora Alder-Gasser, Debora Wälti-Bettler und Lilian Studer
Die
Gleichstellung von Frauen und Männern ist immer noch ein heisses Thema in den
unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. Gerade in Politik und im
Unternehmertum sieht man weiterhin weniger Frauen als Männer, gerade in den
höheren Ämtern. Vieles hat damit zu tun, dass Frauen oftmals ermutigt und
befähigt werden müssen, bevor sie etwas in Angriff nehmen.
Um
genau diese Befähigung ging es beim Livenet-Talk, moderiert von Debora
Alder-Gasser, mit drei Gästen aus unterschiedlichen Leitungspositionen: Corina
Grossniklaus ist Geschäftsleiterin der Vermittlungsstelle Glanzzeit, Debora
Wälti-Bettler ist Pastorin im CLZ Spiez und Lilian Studer ist Geschäftsführerin des Blauen Kreuzes Aargau/Luzern
und seit Dezember 2019 Nationalrätin.
Persönliche Werdegänge
Debora Wälti-Bettler
Auf die Frage hin, wer
denn diese drei Führungspersönlichkeiten zu ihrer jetzigen Position befähigt
habe, kamen völlig unterschiedliche Werdegänge ans Licht. Bei Debora
Wälti-Bettler waren es in der Teenie-Zeit vor allem die Jugendleiter, die
sie früh in die Verantwortung stellten. «So habe ich
gemerkt, sie trauen mir etwas zu und das hat mich motiviert, alles zu geben.» Lilian
Studer wurde insbesondere von ihren Grossmüttern, aber auch den Eltern geprägt,
die ihr das Engagement für und in der Gesellschaft und Politik nahe brachten.
«Aber es waren schlussendlich die eigenen Erlebnisse, die mir die Augen noch
zusätzlich geöffnet haben.» Auch Corina Grossniklaus hat vor allem durch eigene
Erlebnisse und Stürze im Leben gelernt, durchzuhalten und nicht aufzugeben.
Die Rolle der Männer
Aber
auch Männer, die sie ermutigten und motivierten, haben bei allen dreien immer
wieder eine Rolle gespielt. Hierbei sei es wichtig, dass sich Männer in
Leitungspositionen manchmal bewusst zurücknehmen, um Frauen den Vortritt zu geben,
empfindet Debora Wälti-Bettler; sie selbst habe dies oft erlebt und dankbar
angenommen. Doch genauso müssen Frauen selbst davon überzeugt sein, dass sie
etwas können, und sich somit nicht selbst zurücknehmen, empfindet Corina
Grossniklaus. «Es fängt bei mir an, dass ich sehe, dass ich auch etwas kann und
dort nicht zurückstehe.»
Von sich selbst überzeugt sein
Corina Grossniklaus
Dieses
Überzeugtsein «Ich kann etwas, ich bin wer» mussten sich alle drei Talk-Gäste
selbst erkämpfen. Corina Grossniklaus half hierbei die eigene Art, denn sie
selbst sei ein Typ, der nicht aufgibt. Doch ebenso wichtig sei es, auf das
Positive zu blicken. «Ich kann den Fokus auf die setzen, die mich zurückhalten
wollen, oder ich kann sagen: Nein, ich schaue auf das, was ich vor mir habe,
und auf die Menschen, die mich fördern wollen.»
Für
Lilian Studer war es extrem wichtig, zu wissen, dass sie sich am richtigen Ort
befindet. Mit nur 24 Jahren wurde sie Grossrätin für die EVP im Aargauischen
Grossen Rat und war damit die jüngste Frau im Parlament. Deutlich erinnert sie
sich noch an einen Tag, an dem sie sich wirklich fragte, was sie überhaupt im
Grossrat mache. «An dem ganzen Tag habe ich von unterschiedlichsten Frauen im
Parlament Komplimente bekommen, die bewunderten, wie ich mich ohne Mühe vors
Rednerpult stelle, dass ich so glaubwürdig bin (…) Solche Begegnungen und
persönlicher Austausch haben mich immer wieder motiviert.»
In
diesem Sinne ist es auch allen dreien wichtig, bewusst andere Frauen zu
ermutigen und zu befähigen. Es sei fundamental, so Debora Wälti-Bettler, sich nicht
von den Erfolgen anderer Frauen eingeschüchtert zu fühlen, sondern vielmehr das
zu feiern, was andere können und machen – davon profitiere man selbst und die
andere Person.
Gleichstellung in der Kirche
Zum
Ende des Gesprächs ging es dann noch um das heisse Eisen «Gleichstellung in der
Gemeinde». Während Lilian Studer Gemeinden rät, als erstes die aktuelle Situation zu
analysieren und nach den Gründen zu schauen, weshalb es Frauen auch in höheren
Ämtern gibt oder eben nicht, gab Debora Wälti-Bettler zu bedenken: «Es ist
wichtig, dass eine Frau nicht nur reinkommt, damit die Frauenquote hochgeht,
sondern dass es um die Fähigkeiten geht, die sie hat, und dass sie auf eine
Position kommt, in die sie passt…» Genauso sieht das auch Corina Grossniklaus:
Man sollte nicht darauf schauen, ob es ein Mann oder eine Frau ist, sondern sehen,
dass eben jeder seine eigenen Fähigkeiten hat und dass man das nicht einem
Geschlecht zuordnen könne.
Freiwilliges Engagement
Lilian Studer
Auch
die Freiwilligenarbeit wurde angesprochen, in der Frauen häufig sehr engagiert
sind. Lilian Studer setzte allerdings dagegen, dass auch Männer sich freiwillig
engagieren, dies aber eher in Ehrenämtern und Vorständen, während Frauen sich
häufig informell, etwa in der Nachbarschaftshilfe, einbringen würden. Hier sei
es wichtig, dass auch Frauen in freiwilligen Ämtern mit
Entscheidungskompetenzen vertreten seien. Corina Grossniklaus sprach dagegen
an, dass man Frauen nicht nur in der ehrenamtlichen Arbeit – etwa in
Kirchgemeinden – einsetzen sollte. «Ich
möchte gar nicht sagen, dass ich gegen Freiwilligenarbeit bin.» Doch jede
Arbeit verdiene einen Lohn. «Es hat mit Wert zu tun, dass man auch etwas
bekommt. Frauen haben auch Freude daran, etwas Geld zu verdienen bis Ende
Monat.»
Abschliessend
waren sich aber alle drei Gäste einig, dass man die Unterschiede zwischen Mann
und Frau keinesfalls ausradieren muss und darf. Lilian Studer formulierte dies
so: «Wir dürfen Frau bleiben. Wir müssen nicht wie ein Mann agieren oder sein,
sondern ich bin mich selbst – jeder darf seine Persönlichkeit mit einbringen.
Und deshalb darf ich auch mein Frausein ausleben in dem Bereich, in dem ich
bin.»
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