Kirche in sozialen Netzwerken

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Die eigene Webseite ist Schnee von gestern, soziale Netzwerke wie Facebook sind angesagt. Facebook und Twitter bringe nicht den Aufbruch, den sich die Kirche erhoffe, warnen die einen. Goldgräberstimmung predigen die anderen.

Jetzt springen auch die Kirchen aufs Trittbrett auf, doch der Aufbruch ins «gelobte Webland» erfolgt noch zögerlich. «Social Media sind eine grosse Chance, Menschen zu erreichen, die man mit den bisherigen Angeboten nicht mehr erreicht», ist Stephan Sigg überzeugt. Der 27-Jährige arbeitet für die Internetplattform kath.ch als Redaktionsleiter und Social-Media-Community-Manager. Mit Twitter und Facebook könne ein Austausch über christliche Werte passieren, könnten sogar neue Zugänge zu Spiritualität geschaffen werden, glaubt der Ostschweizer.

Einseitige PR-Kommunikation übers Internet ist nicht mehr gefragt, sondern Dialog. Plattformen wie Facebook bieten diesbezüglich beste Perspektiven: Inhalte können «gepostet» und geteilt, Beiträge kommentiert werden. Der Erfolg gibt dem Medium recht. Allein in der Schweiz haben knapp 3 Millionen Menschen ein Facebook-Konto.

Zurückhaltung

Die Kirchen springen jedoch erst zaghaft auf den Zug auf. Eine Erhebung des Katholischen Mediendienstes zur Präsenz auf Facebook registriert aktuell 100 katholische Pfarreien, Fachstellen und Körperschaften in der Deutschschweiz.

Verschiedene Seelsorgende haben jedoch Facebook bereits für sich entdeckt und erhalten immer öfter auch direkte Anfragen über diese Plattform, wenn es um bestimmte Anliegen geht. Das bestätigt auch Christian Kelter, Diakon in Hünenberg im Kanton Zug: «Mit Facebook bekommt Kirche ein Gesicht und zeigt, dass der Glaube etwas ist, der sich im Alltag manifestiert.» Angesichts der Tatsache, dass der Kirchenbesuch immer spärlicher wird und Zukunftsprognosen bereits vom Ende des Christentums in Europa sprechen, sind solche Neuigkeiten willkommen.

Von der Person abhängig

Allerdings: Ohne besondere Persönlichkeiten im Social Web wird es schwierig, wie das Beispiel von Abt Martin Werlen zeigt. Über den Kurznachrichtendienst Twitter folgen ihm 5000 Menschen. Während der twitternde Abt voll einschlägt, bekundet «Miss Reformiert» noch Anlaufschwierigkeiten.

Personen sind gegenüber Körperschaften im Vorteil. Generell Mühe bekunden kirchliche Körperschaften im Social Web. So twittert Frank Worbs für die Reformierte Landeskirche Aargau, doch das Interesse scheint bisher mässig. Die Reformierte Landeskirche Aargau publiziert Meldungen im Online-Dienst «Twitter» und auf den entsprechenden Twitter-Apps für I-Phones oder Smartphones.

Der Tweet der Landeskirche verbreitet in der Regel 2 bis 4 Meldungen pro Woche mit jeweils höchstens 140 Zeichen. Das sind kurze Zusammenfassungen von Medienmitteilungen aber auch kleinere, aktuelle Informationen über Ereignisse in der Aargauer Landeskirche, Auftritte in den Medien, besondere Veranstaltungen oder das Thema der «90 Sekunden» im Radio Argovia (immer am Montag).

Bei den meisten Meldungen ist ein Link zu einer Internetseite dabei, wo man mehr Informationen bekommt, oder einen Radiobeitrag oder «90 Sekunden» direkt hören kann.

Keine falschen Erwartungen

«Wer glaubt, mit Facebook und Twitter die aktuellen Probleme der Kirchen lösen zu können, befindet sich auf dem Holzweg», meint Lutz Fischer Lamprecht, reformierter Pfarrer aus Wettingen im Kanton Aargau. Auch die Idee, dass Freikirchen dank sozialer Netzwerke im Internet erfolgreich sind, treffe nicht zu.

«Echte Beziehungen kriegst du übers Internet nicht hin», räumt auch Boris Eichenberger ein. Der 34-Jährige ist Leiter der freikirchlichen Gemeinde Vineyard Aarau. «Wir erreichen die jungen Leute möglicherweise besser als die etablierten Kirchen, aber nicht wegen Facebook und anderen Kanälen im Internet.»

«Kirche ist Beziehung»

Eichenberger gibt zu bedenken, dass der Social-Media-Hype eine fragwürdige Entwicklung fördere: Wenn Kirchen, die eigentlich auf der lokalen Gemeinschaft basieren, ihre Arbeit im Internet intensivieren, dann könnte dies die ohnehin bedenkliche Erosion in den Kirchgemeinden noch beschleunigen.

Dem widerspricht Christian Kelter: «Kirche ist nicht nur eine Gemeindeveranstaltung, Kirche ist vor allem Beziehung. Facebook ist ein starkes Beziehungsnetz, und die Leute bleiben nicht vor dem Computer hängen.»

«Predigt in den Netzwerken»

Auch Medienpädagoge Roland Rosenstock appellierte an die Kirchen «Social-Media-fähig» zu werden. Das Internet sei heutzutage immer und überall präsent. «Das Smartphone ist zu einem ein Teil unseres Körpers geworden, den wir nur ungern weglegen», sagte der Wissenschaftler. Kirche müsse sich deswegen fragen, wie sie sich in soziale Netzwerke einbringen könne.

Medienreferent Michael Brinkmann sieht für die Kirchen Chancen in Netzwerken für Seelsorge und Verkündigung. Die Kirche müsse sich den Kommunikationsformen der jungen Generation stellen, betonte der Theologe. «Früher hat man gesagt: Geht hin und predigt von den Dächern. Heute wird man sagen müssen: Ihr müsst auch in die Netzwerke.»

Mehr zum Thema:
Christen und soziale Netzwerke: «Es wäre Wahnsinn Facebook auszuklammern»
Kirche in Facebook, Twitter und Co.
Seelsorge im Netz: Dargebotene Hand auf Facebook

Datum: 29.04.2012
Quelle: Livenet / pro / epd / idea.de

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