Die AHVplus-Initiative ist zu einer neuerlichen Auseinandersetzung
zwischen linkem und rechtem Staatsverständnis geworden. Sage mir, wo
dein politisches Herz tickt, und ich sage dir, wie du abstimmst.
Die AHVplus-Initiative darf ohne Polemik als linkes Anliegen verstanden werden, wurde sie doch massgeblich von Gewerkschaften lanciert. Sie muss also für einmal nicht erst, wie frühere Volksbegehren, in die linke Ecke gedrängt werden, um sie abzuschiessen.
Der Abstimmungskampf verläuft daher von Anfang an klar zwischen linken und bürgerlichen Parteien und Organisationen. Ein Grund, mal etwas darüber nachzudenken, was denn hier genau links und was rechts bedeutet.
Gerechtigkeit und Wohlstand für alle?
Linke oder sozialdemokratische Politik setzt auf eine positive und sozial ausgleichende Funktion des Staates als Solidargemeinschaft aller Bürger. Einen Staat, der seine Bürger vor den Auswüchsen eines kapitalistischen Systems mit einem unbarmherzigen Markt schützt. Er gilt als grundsätzlich gerecht, weil er nach klaren Gesetzen handelt und seine Funktionsträger auch dazu verpflichtet.
Anders das rechte oder bürgerliche Spektrum. Auch ihm ist der Staat als Rechtsstaat, der verlässlich funktioniert, wichtig. Anders als die Linke fürchtet er aber Auswüchse, Bürokratisierung und Leerlauf, wenn man ihm nicht ständig die Zügel anlegt. Es gilt somit, dem Staat nur das zu überlassen, was er besser tun kann als privates Unternehmertum. Denn dieses ist es aus bürgerlicher Optik, das Wohlstand für alle – oder die meisten – garantiert. Steuererleichterungen und Sparpakete dienen dem Ziel, den Staat schlank zu halten und vor dem Überborden zu bewahren.
Stärken und Schwächen der Rentensysteme
Was die Altersvorsorge betrifft, vertrauen Bürgerliche daher lieber auf die private Vorsorge wie zweite und dritte Säule. Auch wenn sich inzwischen die Schwächen dieser Systeme gezeigt haben wie hohe Verwaltungskosten und Krisenanfälligkeit privater Pensionskassen. In einer Zeit, wo die Zinsen gegen Null tendieren, zeigen sich Vorteile für das System AHV mit seinem Umlageverfahren. Gelder, die einbezahlt werden, werden zum grossen Teil wieder an die Rentenbezüger ausbezahlt. Es werden nicht hunderte Milliarden angesammelt, die zum Teil mit Negativzinsen angelegt werden müssen.
Schwierige politische Umsetzung
Umgekehrt zeigt sich, dass das System AHV es im politischen Prozess schwer hat. Eine Annahme der Initiative dürfte wohl jahrelang die Bundespolitik beschäftigen, wenn es darum geht, Mehreinnahmen zu generieren. Natürlich könnte man Lohnprozente einfach von den Pensionskassen an die AHV transferieren, was am einfachsten wäre. Doch damit werden wiederum mächtige Interessen tangiert.
Die politische Gretchenfrage
Fazit: Letztlich werden die Wähler sich fragen müssen, welchem System und damit auch welcher politischen Weltanschauung sie vertrauen wollen. Dem Solidargedanken, der vor allem links Politisierende bewegt, oder dem freien Unternehmertum und Markt, der aus Sicht der Bürgerlichen die Welt besser macht.