Stellungsnahmen zur Erweiterung der Anti-Rassismusstrafnorm
Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) und die Evangelische-reformierte Kirche Schweiz (EKS) haben sich zur kommenden Gesetzesrevision geäussert, welche am 9. Februar 2020 vor das Schweizer Volk kommt. Die Meinung ist gespalten.
In der Gesetzesrevision vom 9. Februar geht es um die Erweiterung des Artikels 261bis StGB, die den Schutz vor
Diskriminierung stärkt und künftig verbietet, Menschen wegen ihrer
sexuellen Orientierung zu diskriminieren.
Dazu haben sich die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) und die Evangelische-reformierte Kirche Schweiz (EKS) geäussert. Der Vorstand der SEA hat auf dieser Grundlage die Nein-Parole
beschlossen – im Bewusstsein, dass die Frage auch in kirchlichen Kreisen
unterschiedlich beurteilt wird. Hingegen unterstützt der Rat der EKS die Erweiterung des Gesetzesartikels aufgrund bisheriger Beschlüsse und der neuen
Verfassung des Bundesrats und Parlaments.
SEA: Kritik an praktizierter Homosexualität muss erlaubt sein
Als Netzwerk von evangelischen Kirchen, christlichen
Organisationen und Einzelpersonen verurteile die Schweizerische
Evangelische Allianz jegliche Form von Hass und Gewalt gegenüber
Menschen jeglicher sexuellen Orientierung, heisst es in der Mitteilung der SEA. Solches Verhalten sei nicht
mit der christlichen Ethik vereinbar. Es müsse aber weiterhin bedenkenlos
möglich sein, gemäss dem Verständnis der Bibel eine kritische Haltung
zu gewissen Lebensstilen zu vertreten und für die Privilegierung der Ehe
von Mann und Frau gegenüber anderen Partnerschaftsformen einzutreten.
Genau hier sieht die SEA einen wesentlichen Schwachpunkt der Gesetzesrevision:
Gemäss juristischen Gutachten könnten öffentliche Äusserungen in diese
Richtung oder die Verweigerung einer Leistung gegenüber betreffenden
Personen(-gruppen) künftig strafrechtliche Folgen haben.
Ergänzung nicht nötig
Die sogenannte Rassismus-Strafnorm schützt heute berechtigterweise
Personen(-gruppen) vor Diskriminierung wegen ihrer Rasse, Ethnie oder
Religion. Im Unterschied zu diesen drei Kriterien sei laut SEA die Ergänzung um
die sexuelle Orientierung schlicht nicht nötig, weil homo- oder
bisexuelle Menschen durch das geltende Recht bereits weitgehend vor Hass
und Diskriminierung geschützt seien. Diese Ansicht habe nicht nur der
Bundesrat bis vor Kurzem vertreten; dieser Meinung seien auch Teile der
betroffenen Gruppen selbst, die sich in einem Nein-Komitee engagieren.
Schliesslich sei offen, wie die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm
in der Praxis ausgelegt würde. Diese Rechtsunsicherheit habe bereits zu
weitreichenden Forderungen geführt. Wenn beispielsweise für die
Einstufung einer Äusserung als Hassrede künftig die subjektive
Wahrnehmung der betroffenen Person massgeblich sein sollte, würde dies
Tür und Tor öffnen für mitunter willkürliche Anschuldigungen und
Anklagen.
EKS: Diskriminierungsverbot Teil der neuen Verassung
In der neuen Verfassung der EKS wird in Art. 10 ein
Diskriminierungsverbot festgehalten. Demnach achtet die EKS «bei all
ihrem Wirken in Wort und Tat darauf, dass niemand diskriminiert wird».
In diesem Sinn stellte sich das EKS-Parlament, die
Abgeordnetenversammlung, bereits im Sommer 2019 in einem
Grundsatzentscheid auch gegen jegliche Form der Diskriminierung aufgrund
der sexuellen Orientierung. Die Abgeordnetenversammlung machte
sich damals die folgende Position des Rates zu eigen: «Wir sind von
Gott gewollt, so wie wir geschaffen sind. Unsere sexuelle Orientierung
können wir uns nicht aussuchen. Wir nehmen sie als Ausdruck
geschöpflicher Fülle wahr.»
Die Abgeordnetenversammlung weise damit jede Diskriminierung von
Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zurück, wie sie gemäss
Art. 261bis Abs. 4 StGB zukünftig unter Strafe gestellt werden soll. Neu
wird bestraft, «wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden,
Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von
Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert».