Ärzte fordern neue Regeln

Geschäft mit dem organisierten Tod «bagatellisiert»?

Zoom
Die Ärzteorganisation «Ethik und Medizin Schweiz» (Vems) übt massive Kritik an der kommerziellen Suizidbeihilfe. Der Staat müsse für Schwerkranke Strukturen zum würdigen Sterben schaffen, fordern die Ärzte unter anderem.

Wie die «Sonntagszeitung» am letzten Wochenende berichtete, stellten die Ärzte der Vems unter anderem fest, dass das «Geschäft» mit dem organisierten Tod in der Schweiz zunehmend «bagatellisiert» werde. Ein Grund dafür seien verharmlosende Begriffe: «Wenn sich Organisationen wie Exit oder Dignitas als Sterbehilfeorganisationen bezeichnen, ist das ein Etikettenschwindel», kritisieren die Ärzte. «Was diese Organisationen anbieten, sind assistierte Suizide.»

Suizidbeihilfe als «fakturierbare Dienstleistung»

Es sei erschreckend, dass in der Schweiz die Suizidbehilfe als «fakturierbare Dienstleistung» akzeptiert sei. Der Suizid werde oft deshalb gewählt, weil «die Möglichkeiten der ärztlichen Sterbehilfe zu wenig bekannt sind», wie Michel Romanens, Präsident des Vems, festhält. Darum sei es «nachgerade naiv, von Selbstbestimmung und freier Entscheidung zu sprechen.» Dagegen sei die Palliativmedizin – die Behandlung von Schwerstkranken am Lebensende - «chronisch unterfinanziert».

Weil die Qualität der Spitäler unter anderem an den Sterberaten gemessen werde, würden Patienten am Lebensende oft in Pflegeheime abgeschoben, die ihrerseits völlig überlastet seien. Romanens: «Die Folge ist in der Regel ein rapider Abfall der Versorgungsqualität.»

Neue Regeln gefordert

Der Staat – dessen Aufgabe es sei, seine Bürger zu schützen – vernachlässige seine Sorgfaltspflicht, wenn er zulasse, dass Suizidbehilfe-Organisationen sich «erschreckend frei entfalten» könnten, während die Alternativen der ärztlichen Sterbehilfe «kaum bekannt gemacht und nicht gefördert würden», wie die Sonntagszeitung weiter berichtet. Der Staat müsse für Schwerkranke Strukturen schaffen, die «würdiger sind als der Giftbecher», fordert der Vems. Die «Grenze des Zulässigen sei überschritten», wenn Prominente – wie der kürzlich verstorbene Ständerat This Jenny – ihren eigenen assistierten Suizid auch noch öffentlich inszenieren würden.

Darum fordert die Ärztevereinigung neue Regeln für den «käuflichen Tod». Für die Beihilfe zum Suizid sollten ähnliche Vorgaben gelten wie für die Organspende, zum Beispiel eine notwendige Zweitmeinung. «Das heisst, unabhängige medizinische Fachpersonen müssen den Sterbewunsch und die Auswegslosigkeit der medizinischen Situation bestätigen, bevor ein assistierter Suizid durchgeführt werden darf», fordert Michael Romanens: «Mit einer solchen Zweitmeinung hätte der Suizid der Britin Gill Pharaoh bei Lifecycle wahrscheinlich nicht stattgefunden.» Die 75-jährige Gill Pharaoh war als Touristin im Juli mit ihrem Partner nach Basel gereist und nahm dort Sterbehilfe in Anspruch, obwohl sie relativ gesund war. Ihr Motiv: sie wolle nicht alt und vor allem kein Pflegefall werden. 

Zum Thema:
Evangelische Kirchen in Europa: Sterbehilfe theologisch nicht rechtfertigbar
Eine grundlegende Entscheidung: Sterbehilfe aus biblischer Sicht
Alternative zur Suizidhilfe: Spiritual Care an der Uni Zürich rückt näher
Politlunch zur Palliative Care: Leben vor dem Sterben – es gibt noch viel zu tun

Datum: 12.08.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Sonntagszeitung

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

In Mexiko und Bolivien
Die Gender-Ideologie wird auch in Lateinamerika immer stärker. In über 200 Kirchen Mexikos und Boliviens werden Sonntagsschul-Lehrer geschult, um die...
Regierung plant neue Regelung
Die niederländische Regierung hat vor kurzem ihre Pläne bekannt gegeben, Sterbehilfe für unheilbar kranke Kinder zwischen einem und zwölf Jahren zu...
Wunder am «The Chosen»-Set
Die Produzenten sagen, dass sie Gottes Hand am Set mehrfach am Werk gesehen haben. Gerade auch in Momenten, in denen die Darsteller und die Crew müde...
Der Holocaust
Am 09.11. findet zum 85. Mal der Gedenktag an die Novemberpogrome statt. Forscherin Susanna Kokkonen weiss: Die Wurzeln des Judenhasses reichen viel...

Anzeige

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...