Digitalisierter Glaube

Wie Smartphone und Soziale Medien das Christsein verändern

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Von der Digitalisierung unserer Welt ist jeder betroffen, auch jeder Christ. Schon lange hat die YouVersion auf Smartphones und Tablets in den Gottesdienst Einzug gehalten. Gut oder schlecht? Der Brite Pete Phillips erforscht genau dies und hat interessante Schlüsse gezogen.

Es war im Jahr 2008. Reverend Pete Phillips sass in einer Bank der Kathedrale von Durham, Grossbritannien, und las in seiner Bibel – auf dem Smartphone. Was heute nichts Aussergewöhnliches ist, war damals undenkbar. Und so wurde er denn auch schon bald gebeten, die Kathedrale zu verlassen. Ein Smartphone war an dem heiligen Ort nicht erlaubt – und dass er das Handy zum Bibellesen nutzte, wollte ihm die Person, die ihn vor die Tür setzte, einfach nicht glauben.

Heute ist Pete Phillips Leiter des Codec Forschungszentrum für Digitale Theologie an der Universität von Durham. Und er forscht genau in dem Gebiet, nämlich wie Smartphones, Internet und Soziale Medien den Glauben und das Christentum an sich in den vergangenen Jahren verändert haben. Denn Smartphones, das ist klar, sind schon längst auch in Kathedralen erlaubt, zumindest zu geistlichen Zwecken. «Wenn man die Leute da einschränken würde, wäre das, als würde man sie bitten, ihren Arm abzuhacken», so Phillips gegenüber BBC.

Die digitale Bibel…

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Pastor Pete Phillips
Doch wie genau hat sich Glaube durch das Internet denn verändert? Das wird vor allem im Verhalten der Christen oder am Glauben Interessierten deutlich. Ein Beispiel: YouVersion, die digitale Version der Bibel für Smartphones, Tablets und andere Geräte, die von vielen Christen heute genutzt wird. Über 260 Millionen Mal wurde die Anwendung weltweit heruntergeladen, seit YouVersion 2008 startete. «In gewissem Masse ersetzt die Handy-Bibel jetzt das Bibel-Buch», erklärt Philipps. An sich nichts Schlechtes, so hat man die Bibel durch das Smartphone immer dabei, kann gleich noch Kommentare im Internet aufschlagen und Verse über Soziale Medien teilen.

Und doch gibt es laut Studien grosse Unterschiede darin, ob man die Bibel am Bildschirm liest, oder das Buch in der Hand hält. Wohl ist die Hemmschwelle zur digitalen Version niedriger. Jemand, der nie in die Kirche gehen würde, nie eine Bibel in die Hand nehmen würde und mit den Bibelbüchern, Kapiteln und Versen wohl auch völlig aufgeschmissen wäre, zögert vermutlich bei der digitalen Version nicht so lange, kann hier auch Stellen direkt finden. Doch genau hierin liegt laut Philipps das Problem: Man liest nur die Stelle, nicht um sie herum. Man weiss nicht mehr, dass 1. Mose das erste Buch ist und Offenbarung das letzte. Man liest nicht mehr den Kontext.

…verändert die Interpretation

Und es geht noch tiefer. Wie der BBC-Bericht erklärt, hat die Art, wie man ein religiöses Buch liest, Einfluss darauf, wie man es interpretiert. «Laut Studien wird ein Text, der auf dem Bildschirm gelesen wird, wortwörtlicher genommen als ein Text, den man im Buch liest. Ästhetische Merkmale des Textes, die weiteren Themen und der emotionale Inhalt werden eher erkannt, wenn man es im Buch liest», so der Bericht. Und dies ist beim Bibellesen essentiell. Denn, so Phillips, dadurch ist das Lesen der digitalen Bibelversion nicht so tiefgründig. «Es ist ein flacheres Lesen, dafür wurde die Bibel nicht geschrieben. Am Ende liest du den Text, als ob es Wikipedia wäre, anstatt es als heiligen Text aufzunehmen.»

Ein zusammengestückelter Glaube

Eine weitere Veränderung im Christentum ist die Dezentralisierung religiöser Aktivitäten. Auf gut deutsch: Der Weg in die Kirche ist nicht mehr nötig. Zu Hause – oder mitten aus der Natur – wird man von Andachten, Online-Predigten, Podcasts etc. überschwemmt, so dass die Mitgliedschaft in einer Kirche scheinbar unwichtig wird.

Und: Immer mehr Menschen stückeln sich ihren Glauben zusammen, «pick and choose», ein Auswahlglaube. Bei der Flut an Informationen aus dem Internet kann man sich selbst das Gottesbild zusammenstückeln, sich auf Bibelverse konzentrieren, die einem zusagen und die anderen ausblenden. Es ist ein persönlicher Glaube – aber eben ein selbst zusammengebastelter, der auch mit ethischen und moralischen Standards der säkularen Welt vermischt wird. Viele würden dabei sogar den Glauben an Gott dem Glauben an Jesus vorziehen, weil das Konzept Gott unpersönlicher sei. «Die Generation Y zieht das generelle Bild eines Gottes einem eingreifenden Gott vor; sie ziehen Gott auch Jesus vor, weil Gott so unspezifisch ist. Er steht hinter ihnen und erlaubt ihnen, mit ihrem Leben weiterzumachen wie bisher, während Jesus ins Leben kommt und in alles eingreift», so Philipps. Das zeigt sich auch in den Bibelversen, die überwiegend in den Sozialen Medien geteilt werden. So heisst es im BBC-Bericht, dass die meisten Bibelverse von persönlichen Kämpfen und Sorgen handeln und nicht davon, Gottes Ehre hervorzuheben.

Sind im Hinblick auf diese Informationen die Sozialen Medien generell schlecht? Nein, natürlich nicht. Sie sind neutral und es kommt darauf an, wie die Kirche, wie Christen sie nutzen. Und doch ist es wichtig, sich trotz aller Neuerungen und Veränderungen bewusst zu machen, dass das, was vor 2000 Jahren eingesetzt wurde, nämlich das Buch der Bibel und die Gemeinschaft von Christen, nichts ist, was aus der Mode gerät. Die Bibel immer wieder mal aus dem Buchregal zu holen oder den Gottesdienst zu besuchen, sollte trotz Digitalisierung der Welt zum Leben eines Christen gehören.

Zum Thema:
«Facebook-Effekt» beim Glauben: Junge Social-Media-Nutzer flicken sich ihre Religion selbst zusammen
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Datum: 04.03.2017
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / BBC

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