Wer jeden Sonntag ein Dach über dem Kopf hat, kann sich kaum vorstellen, dass die Mitglieder der Taman-Yasmin-Kirche in Indonesien ihren Gottesdienst seit 100 Wochen draussen feiern. Sie haben zwar eine Kirche, dürfen sie aber nicht betreten.
Gottesdienst unter freiem Himmel vor dem Präsidentenpalast in Indonesien
Schon 2010 wurde die indonesische Taman-Yasmin-Kirche von den Behörden versiegelt. Niemand in der Gemeinde unweit der Hauptstadt Jakarta hatte sich etwas zuschulden kommen lassen, doch die Gottesdienste waren immer wieder von extremistischen Muslimen gestört worden. Deshalb schloss die Stadt Bogor «aus Sicherheitsgründen» die Kirche.
Ersatzgottesdienste unter freiem Himmel
Adhi Nugroho Chandra
Seit fünf Jahren finden die Gottesdienste der Gemeinde unter freiem Himmel statt. Zunächst wurden sie vor dem eigenen Kirchengebäude abgehalten, doch nachdem es auch dort zu Ausschreitungen kam, versammelt sich die Gemeinde seit nunmehr 100 Wochen vor dem Präsidentenpalast in Jakarta, «weil wir in unserem eigenen Gebäude keine Gottesdienste abhalten dürfen», berichtet Adhi Nugroho Chandra laut dem Hilfswerk Open Doors.
Die Gemeinde feiert hier in Sichtweite von Präsident Jokowi und protestiert damit friedlich für ihre Rechte.
Religionsfreiheit nur auf dem Papier
Chandra Juliar, Pastor der Gemeinde, beklagt zunehmende Schikanen gegenüber den indonesischen Christen: «Das Problem bleibt bestehen, weil der Präsident nicht einschreitet. Er sollte als Machthaber die Einhaltung der Gesetze sicherstellen.» Eigentlich hatte der Oberste Gerichtshof in Jakarta nämlich schon vor fünf Jahren entschieden, dass die Gemeinde ihr Gebäude wieder benutzen darf – die Behörden weigern sich allerdings, diesen Beschluss umzusetzen. Nicht zuletzt aus Furcht vor gewaltbereiten muslimischen Gruppierungen. Stattdessen bot die Stadt Bogor der Gemeinde Geld, um damit ein anderes Grundstück kaufen zu können. Doch die Gemeindemitglieder sind skeptisch, denn es ist fraglich, ob sie dort die Baugenehmigung für eine neue Kirche erhalten würden. Zu hoch sind die Hürden im grössten muslimischen Land der Welt.
Wegschauen mit System
Auch die Christen anderer Kirchen und Gemeinden in Indonesien erleben es immer wieder, dass sie Repressalien ausgesetzt sind und die zuständigen Behörden einfach wegschauen. Vor kurzem wurde die Pakpak-Dairi-Kirche in der Provinz Aceh zum dritten Mal niedergebrannt. Die Polizei fand zwar eindeutige Hinweise auf Brandstiftung, gab aber offiziell einen Kurzschluss als Brandursache an. Als die Polizei nach einem früheren Brandanschlag auf die Kirche mehrere Muslime verhaftete, drohte nämlich ein Mob, das Revier niederzubrennen.
Frucht trotz Verfolgung
Bezeichnend für die geistliche Situation in Indonesien ist es, dass sich trotz Repressalien so viele Menschen für den christlichen Glauben öffnen wie nie zuvor. Der Theologe und Menschenrechtler Thomas Schirrmacher hält denn auch wenig davon, die Muslime für ihr Verhalten zu kritisieren. Der Islamkenner setzt eher auf Gastfreundschaft, Gespräche und das Vertrauen in die verändernde Kraft des Evangeliums.
Der neue Präsident von Indonesien Joko Widodo
Die Christen in Indonesien sehen kleine Schritte in Richtung Religionsfreiheit. Der seit einem Jahr amtierende Präsident Jokowi bemüht sich deutlich darum.
Pastor Juliar von der verschlossenen Taman-Yasmin-Kirche sieht es realistisch: «Manchmal sind wir müde und unsere Hoffnung wird schwach.» Gleichzeitig bekräftigt er: «Aber als solche, die im Glauben stehen, geben wir nicht auf. Es geht nicht nur um unsere Belange. Alle wollen Frieden. Wir werden weiter dafür arbeiten, dass unser geliebtes Indonesien zu einem friedlichen Land wird.»