Missbrauch und kein Ende

«Das kann nicht von Gott kommen!»

«Da habe ich gewusst, das kann nicht von Gott kommen!» So spricht Doris Reisinger über ihre Vergewaltigung durch einen Pater. Bis dahin war für die Ordensfrau der Gehorsam in der Kirche selbstverständlich. Später dann zeigte Doris Reisinger den Pater an.

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Doris Reisinger fordert Konsequenzen für den sexuellen Missbrauch, den sie erlebte.
Zu einer Verurteilung kam es nicht, weil der Priester dem Gericht glaubhaft machte, dass es sich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe. Mindestens so schlimm wie die wiederholte Vergewaltigung, war für Doris Reisinger, dass ihr niemand Glauben schenkte.

Kardinal Schönborn: «Ich glaube Ihnen das»

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Kardinal Schönborn beim Staatsakt: Missbrauch nur mit Wahrheit begegnen
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn sprach vor kurzem mit Doris Reisinger. Das Gespräch wurde vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet und in Auszügen als Teil einer Dokumentation am 7. Februar 2019 ausgestrahlt. Mit Betroffenheit sagte Kardinal Schönborn gegenüber der früheren Ordensfrau: «Ich habe ihr Buch gelesen und ich glaube Ihnen das.»

Dass sie mit ihrer Not nicht ernst genommen wurde, war und ist für Doris Reisinger besonders schlimm. Niemand aus der Gemeinschaft, zu der sie gehörte, habe zu ihr gesagt «Wir glauben Dir. Das hätte Dir nicht passieren dürfen.»

Papst Franziskus: «Und ich glaube, es wird immer noch getan»

Zur Frage des Missbrauchs von Ordensfrauen erklärte nun auch der Papst auf seinem Rückflug von Abu Dhabi: «Ich weiss, dass Priester und auch Bischöfe das getan haben. Und ich glaube, es wird immer noch getan.»

Für Ende Februar hat Papst Franziskus zu einer Konferenz der katholischen Bischofskonferenzen der Länder zum Thema «Missbrauch» eingeladen; es geht hier um Aufklärung und gemeinsame Standards im Umgang mit dem Thema.

Unterschiedlicher Stand im Umgang mit dem Thema «Missbrauch»

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx machte im Domradio deutlich, dass der Stand der Diskussion über das Thema «Missbrauch» in den verschiedenen Regionen der katholischen Kirche sehr verschieden sei; für manche sei das Thema neu, andere stünden mitten in der Diskussion, wieder andere hätten Verfahrensregeln verabschiedet.

Kommentar Norbert Abt: Sumpf von Vorwürfen

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Norbert Abt
Standen in den letzten Jahren vor allem Kinder als Opfer im Vordergrund, geht es nun vor allem um Ordensfrauen. Die katholische Kirche scheint aus dem Sumpf der Vorwürfe nicht herauszukommen. Immer wieder gibt es neue Missbrauchsopfer, immer wieder neue Fälle, denen die katholische Kirche nicht oder nur halbherzig nachgegangen ist. Das Image der Kirche leidet. Ihre Rolle als moralische Institution droht zur Lachnummer zu werden. Viele Menschen nehmen die Kirche nicht mehr ernst und halten sie für nicht mehr vertrauenswürdig. Sah es vor einigen Monaten noch so aus, dass es Kardinal Marx ansatzweise gelingen könnte, neues Vertrauen zu schaffen, ist dieser Eindruck schon wieder verflogen.

Marx hatte im September letzten Jahres eine Untersuchung zu den Missbrauchsfällen vorgelegt. Doch selbst bei dieser Präsentation zeigte sich, dass die Bistümer sehr unterschiedlich mitarbeiteten. Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsopfern wurden zwar 2010 beschlossen, aber nicht rechtsverbindlich und nicht alle Bischöfe sind in dieser Frage so konsequent und transparent wie es zu wünschen wäre.

Priester – jemand, der sich mehr leisten kann

Als eine Ursache des Missbrauchs nennt Kardinal Schönborn das «Ungleichgewicht in der katholischen Kirche». Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk spricht er von «Autoritarismus». Weithin werde der Priester als «unberührbar» angesehen, als jemand, der bestimmt und sich mehr leisten dürfe als andere. Zudem sei die Ungleichbehandlung der Frauen eine «uralte Sünde in der Kirche». Kardinal Schönborn berichtete, dass in seiner Jugend ein Priester ihn versucht habe zu küssen.

Nachhaltige Erschütterungen

Das Thema «Missbrauch» erscheint endlos. Es erschüttert die katholische Kirche in ihren Grundfesten und zwar nachhaltig! Und wer von der Warte einer anderen Kirche oder Gemeinde auch nur ansatzweise Häme zeigt, sei versichert: Die Schuld, die hier von Pfarrern und Verantwortlichen auf sich geladen wurde, untergräbt das Vertrauen in alle christlichen Kirchen.

Hindernisse: Unantastbarkeit und Hierarchie

Damit stellt sich aber auch die Frage, warum es so schwer zu sein scheint, dass Christen und Kirchen selbstkritisch reagieren.

Ein falsches Bild von der Heiligkeit und Unantastbarkeit der Kirche, wie es vor allem für die katholische Kirche typisch ist, verhindert einen offenen Umgang mit Kritik. Aber solche Vorstellungen gibt es nicht nur im katholischen Bereich, sondern überall dort, wo Gläubige von der Sendung und Autorität ihrer Gemeinde, Kirche oder eines Dienstes zutiefst überzeugt sind.

Ein weiteres Hindernis ist die Hierarchie: In der katholischen Kirche ist sie sichtbarer, in anderen christlichen Gemeinschaften will man den Dienst eines Leitenden nicht gefährden.

Verantwortlicher Umgang mit Vorwürfen

Es soll hier nicht naiv vermittelt werden, dass jeder Vorwurf, der von Aussen an die Kirche herangetragen wird, immer der Wahrheit entspricht. Doch sind Kirchen und Gemeinden nichts desto trotz aufgefordert mit Vorwürfen verantwortlich und transparent umzugehen.

Schliesslich ist die Rolle der Frau ein entscheidender Punkt. Wer die Frau in einer formalen oder auch informellen Hierarchie an unterster Stelle sieht, der schaut bei solchen Vorwürfen vielleicht eher weg und geht ihnen nicht nach. Das ist himmelschreiend!

Zum Thema:
Kirche und Missbrauch: Zwischen Verletzung und Verhältnismässigkeit
«Eine Warnung für alle»: Evangelische Kirche in Frankreich beugt sexuellem Missbrauch vor
Sexueller Missbrauch: Gemeinden brauchen offene Augen

Datum: 13.02.2019
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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