«Wer ist Andreas Gafner?», mögen sich manche bei dessen
Wahlerfolg gefragt haben. Dass der «Mann vom Volk» gewählt wurde, spricht für
eine gesunde Demokratie, eine clevere Wahlstrategie, aber auch für die Führung
Gottes.
Andreas Gafner auf einem Feld (Bild: zVg)
Andreas Gafner (1971) ist
verheiratet, hat drei erwachsene Töchter und ist Landwirt im 800-Seelen-Dorf
Oberwil im Simmental (BE) – und: seit 2019 ist er Nationalrat (Livenet berichtete).
Politische
Themen am Mittagstisch diskutiert
In seiner Kindheit war es Andreas
gewohnt, dass am Tisch über Politik gesprochen wurde. Als 20-Jähriger war es
für ihn sonnenklar, bei der Gründung der EDU Ortspartei dabei zu sein –
gemeinsam mit seinem Vater und seinem damals ungefähr 80-jährigen Grossvater.
«Damals war ich der Jüngste», erinnert er sich. «Von da an war ich dabei.»
Bereits in Jugendjahren wurde
Andreas Sekretär der Wasserkomission Oberwil. «Hier lernte ich viel über
Finanzierungen und Genossenschaften.» In diesen Jahren war er auch in der
Fürsorgekommission und erhielt erste Einblicke ins Sozialwesen. «Als Person bin
ich sozial eingestellt», meint er und erzählt von seinen frühen Erfahrungen als
Beistand für eine Frau im Altersheim. «Dabei erfuhr ich eine tiefe
Befriedigung.» Trotz seiner sozialen Ader teilt er die linkspolitische
Sozialpolitik nicht. «Das läuft mir zu sehr auf einen Sozialstaat hinaus»,
erklärt er seine Zurückhaltung, die ihn aber nicht vom persönlichen Engagement
abhält.
Gemeindepräsident
von Oberwil
Mit etwas mehr als 30 Jahren
wurde Andreas zum Gemeindepräsidenten von Oberwil gewählt. «Mit jugendlichem
Elan ging ich diese Aufgabe unbeschwert an, erlebte dann aber manche
Herausforderungen.» Heute blickt er auf eine lehrreiche Zeit als
Gemeindepräsident zurück. «Als Präsident einer kleinen Gemeinde musst du so
etwas wie ein Allrounder sein und für alles ein Verständnis haben. Es ist
motivierend, wenn eingebrachte Vorschläge umgesetzt werden können.»
Mehrmals liess er sich für
Grossrats- und auch Nationalratswahlen aufstellen. «Dabei erhielt ich immer
erstaunlich viele Stimmen.» Einen Sitz gewann er aber nie. 2016 schloss er nach
zwölf Jahren seine Amtszeit als Gemeindepräsident ab. «Es war eine gute Zeit
gewesen», resümiert er, empfand die amtsfreie Zeit aber als wohltuend. Für die
Grossratswahlen 2018 trat er nicht mehr an.
Noch einmal
in den Wahlkampf?
Andreas Gafner
Für Andreas unerwartet kamen
dann die Parteistrategen der EDU auf ihn zu und wollten ihn als Spitzenkandidat
für die Nationalratswahlen 2019 gewinnen. «Das musste ich mir jetzt gut
überlegen, da es jetzt realistisch war, tatsächlich in den Nationalrat gewählt
zu werden.»
Es folgten viele Gespräche mit
Familie und Freunden. Gemeinsam beteten sie um Gottes Weisung. «Schliesslich
entschieden wir, dass ich kandidiere.» Eine allfällige Wahl würden sie als
Gottes Wille aus seiner Hand nehmen.
Wie gross
sind die Chancen?
Welche Chancen sollten Andreas
eingeräumt werden? Die Meisterprüfung als Landwirt war der Gipfel seiner beruflichen
Karriere. Durch seinen Nebenerwerb als Kontrolleur für Tierschutz und Ökologie
kam er etwas in der Region herum und manche kannten ihn auch als Präsidenten
des Gospelchors Oberwil – aber: konnte dies wirklich reichen?
Durch die Wahlstrategen der EDU
und deren cleveren Listenverbindungen konnte durchaus auf Erfolg gehofft werden.
Eigentlich war Andreas aber ein Aussenseiter, ohne grosses Budget, ohne Lobby.
20. Oktober
2019: Plötzlich Nationalrat
Dann war der Wahltag gekommen.
«Es war ein wunderschöner Tag und ich machte mit zwei Brüdern eine kleine
Bergtour.» Es tat Andreas gut, rauszugehen und die Natur zu geniessen.
Rechtzeitig zum Melken der Kühe war er jedoch zurück und fuhr anschliessend
nach Münsingen ins Parteilokal der EDU. «Ich war gerade kurz draussen, um mir
etwas zum Essen zu organisieren, als mein Handy plötzlich ununterbrochen
vibrierte.» «Glückwunsch zum Wahlerfolg» lauteten die vielen Nachrichten, die
reinkamen. Andreas hatte es tatsächlich geschafft!
Am folgenden Tag wurde in
Oberwil eine Dorffeier zum Wahlerfolg veranstaltet. «Den Rückhalt in meinem
Dorf zu erleben, freute mich sehr. Der Einmarsch in die Halle, während unsere
Dorfmusik den Berner Marsch spielte, liess meinen Puls merklich in die Höhe
schnellen.»
Verantwortung
tragen
Natürlich hatten politische
Anliegen schon bei den Überlegungen bezüglich einer Kandidatur eine Rolle
gespielt. In ethischen Fragen sieht er als Christ eine Verantwortung und hat
nun die Möglichkeit, als Nationalrat Stellung zu beziehen. «Obwohl die
Umsetzung biblisch-ethischer Werte nicht der Grund zum Kandidieren war, bin ich
motiviert, diese Verantwortung jetzt wahrzunehmen.» Inzwischen hat er schon
einen Vorstoss gemacht, sich für den Schutz andersdenkender Minderheiten
einzusetzen.
«In erster Linie habe ich aber
als Landwirt ein Anliegen für die Schweizer Landwirtschaft.» Durch seine
langjährige Tätigkeit als engagierter Kontrolleur in der Landwirtschaft hatte
er sich ein Bild darüber gemacht, wo den Bauern der Schuh drückt. «Den
Landwirten im Bundeshaus meine Stimme zu leihen, war meine grösste Motivation
für die Kandidatur.»
Und: «Für mich ist es ein
Zeichen einer funktionierenden Demokratie, dass jemand wie ich ins Parlament
gewählt werden kann», hält Andreas fest. Er ist dankbar für sein Land und
betrachtet seinen Wahlerfolg als Gottes Führung. Das sind schon einmal zwei
Gründe, um die Verantwortung als Nationalrat engagiert wahrzunehmen.