Im biblischen Buch Nehemia wird beschrieben, wie die
Juden in kurzer Zeit ihre Stadtmauer wieder erbauen und dabei von entmutigten
zu begeisterten Nachfolgern Gottes werden. Dabei existieren viele Parallelen zu
heute.
Nehemia war im 5. Jahrhundert vor Christus Mundschenk
am Hof des persischen Königs Artaxerxes. Gott beauftragte ihn damit, nach dem
babylonischen Exil der Juden den Wiederaufbau Jerusalems zu leiten – besonders
der Stadtmauer. Diese antike Baustelle und vor allem die Leiterpersönlichkeit
Nehemias sind bis heute Vorbilder für Prozesse zwischen kirchlichem Gemeindebau
und sogar der Unternehmensentwicklung. Natürlich stellt das alttestamentliche
Buch keinen Stufenplan dar, den man einfach nachahmen könnte, aber vieles darin
ist erstaunlich «gegenwärtig».
Im zweiten Kapitel des Buchs Nehemia wird beschrieben,
wie damals aus Resignation eine positive Dynamik und Aufbruchsstimmung entstand.
Wie ein Vorangehen im Namen Gottes aussehen kann.
Warten auf den Gott-Zeitpunkt
«Es geschah aber im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr
des Königs Artasasta, als Wein vor ihm stand, da nahm ich den Wein und gab ihn
dem König» (Nehemia, Kapitel 2, Vers 1).
Aufbruchsstimmung hat nichts mit Aktivismus zu tun.
Dass Nehemia von der Lage in Jerusalem erfuhr, geschah im Monat Kislew – vier
Monate vorher. In der Zwischenzeit dachte er wahrscheinlich nach, plante,
betete, aber er tat nichts. Er wartete auf den richtigen Zeitpunkt, den
«kairos», den Gott-Zeitpunkt. Dieser Zeitpunkt war jetzt gekommen, was nicht
zuletzt daran deutlich wird, dass derselbe König, der zuvor in Jerusalem einen
Baustopp verhängte, jetzt den Mauerbau genehmigte.
Gerade Kirchen und Gemeinden tun sich oft schwer damit
zu vermitteln, dass ihre Projekte gesellschaftlich relevant sind. Wo sie das
schaffen, erleben sie oft die gleiche Unterstützung wie Nehemia, zum Beispiel
durch öffentliche Zuschüsse für die Jugendarbeit und ähnliches. Neben einer
willkommenen finanziellen Unterstützung fliesst dabei auch etwas zurück: Gott
segnet diejenigen, die seine Arbeit mittragen.
Mit Opposition rechnen
«Als aber Sanballat, der Horoniter, und Tobija, der
ammonitische Knecht, dies hörten, missfiel es ihnen sehr» (Nehemia,
Kapitel 2, Vers 10).
Für harmoniebedürftige Menschen mag es eine
schmerzhafte Lektion sein, aber nicht alle Menschen werden auf unserer Seite
sein. Manche lassen sich vielleicht gewinnen – mit anderen muss man lernen,
umzugehen.
Ohne es an die grosse Glocke zu hängen, verschaffte
sich Nehemia einen eigenen Eindruck der Situation. Das ist auch im heutigen
christlichen Umfeld nicht verkehrt. Viele Menschen beschreiben eine Not oder Aufgabe – und wissen
auch direkt, was andere deshalb tun sollten.Tatsächlich ist aber eine eigene
Perspektive nötig, auch wenn scheinbar alles klar ist. Begeisterung oder auch
Berufung gibt es nicht aus zweiter Hand.
Oft leben Kirche und Gemeinde von der Arbeit einer
hauptamtlich angestellten Person. Das ist okay, aber erst im Miteinander entsteht
so etwas wie echte Aufbruchsstimmung. Da erkennen Menschen plötzlich die eigene
Situation – und gleichzeitig, dass Gott schon längst angefangen hat, Dinge in
Bewegung zu bringen.
Hoffen, handeln, Zeit geben
Wer auf der Suche nach eigenen oder gemeindlichen
Aufbrüchen ist, der findet im Buch Nehemia viele inspirierende Beispiele. Sie
machen deutlich, wie Hoffnung selbst da wachsen kann, wo sie scheinbar
unmöglich ist. Sie zeigen, dass es sinnvoll ist zu beten, aber dann auch zu
handeln. Und sie helfen ganz nebenbei, realistische Zeitziele zu setzen.
Als Nehemia vor dem König stand, fragte der ihn, wie
lange er für seine Arbeit brauchen würde. Nehemia gab ihm einen Zeitraum an
(der aber nirgendwo genannt wird). Angekommen in Jerusalem baute Nehemia
zusammen mit dem Volk die Mauer in der Rekordzeit von 52 Tagen auf.
Anschliessend arbeitete er noch die Kleinigkeiten nach, die liegengeblieben
waren und brauchte dafür zwölf Jahre. Tatsächlich kommen grosse Veränderungen
bis heute schnell in Gange, um dann im Endeffekt viel länger zu dauern, als man
im Vorfeld gemeint hat. Doch was ist gegen zwölf Jahre Bewegung und
Aufbruchsstimmung einzuwenden?