Corine Mauch ist als Politikerin selbst eine Influencerin in der Öffentlichkeit. Wie steht sie zur Aussage der Zeitung Jesus.ch-Print Nr. 50, wonach Jesus Christus der «Influencer Nr. 1» ist?
Frau Corine Mauch, wir berichten in unserer Zeitung, dass keiner die
Welt so stark beeinflusst hat wie Jesus. Er sei der «Influencer Nr. 1».
Was halten Sie von dieser Aussage?
Corine Mauch: Religionen haben einen grossen
Einfluss auf gesellschaftliche Werte und das Zusammenleben. Global
gesehen sind das Christentum und der Islam die grössten Weltreligionen.
Aus heutiger Perspektive würde das Jesus und Mohammed tatsächlich zu
«Influencern» machen.
Für einen Christen ist logisch, dass Jesus der «Influencer Nr. 1» in seinem Leben ist. Wer sind Ihre wichtigsten «Influencer» im Leben?
Ich orientiere mich stark an humanistischen Werten. Die christliche Religion bietet dafür viele Anknüpfungspunkte.
Als Stadtpräsidentin von Zürich sind Sie automatisch auch ein Influencer für die Menschen. Wie gehen Sie damit um?
Die Entscheide, die ich gemeinsam mit meiner Stadtratskollegin und meinen Stadtratskollegen treffe, betreffen viele Menschen. Wir haben die Möglichkeit, mit unserer Politik Prioritäten zu setzen und zu gestalten. Das ist eine grosse Verantwortung, die ich gerne wahrnehme. Und als Präsidentin des Kollegiums Stadtrat darf ich dieses besonders nach aussen vertreten. Ich sehe das als Chance, Werte wie Humanismus, Respekt und gesellschaftliche Solidarität zu vertreten.
Ist dieses Einflussnehmen etwas, das Sie immer schon angestrebt haben?
Ich habe mich immer engagiert für meine Überzeugungen eingebracht. Politik heisst, unsere Gesellschaft mitzugestalten.
Corine Mauch
Sehen Sie sich als erste Frau im Zürcher Stadtpräsidium in einer Art Vorreiterrolle?
Ich wurde als erste Frau in dieses Amt gewählt. In diesem Sinne nehme ich eine Vorreiterinnenrolle wahr.
Wieso sollte man sich Ihrer Meinung nach in der Politik engagieren?
Die Möglichkeit, das Geschehen in unserer Gemeinde, unserem Kanton und unserem Land mitgestalten zu können – gesellschaftlich und politisch – ist ein grosses Privileg. Man kann dieses Privileg durch ein Engagement in der institutionellen Politik nutzen; ebenso wichtig sind aber auch Menschen, die sich in zivilgesellschaftlichen Organisationen für eine funktionierende und solidarische Gesellschaft einsetzen.
Bei den nationalen Wahlen im Herbst 2019 haben die Grünen massiv zugelegt. Inwieweit spielt in Ihrer Politik der Umweltschutz eine Rolle?
Umweltschutz hat mich mein Leben lang beschäftigt. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und muss auf allen politischen Ebenen, in der Wirtschaft und von Privaten hoch gewichtet werden. Deshalb freue ich mich, wenn der Umweltschutz politisch gestärkt wird. Der Erfolg der ökologischen Kräfte ist das eine. Noch wichtiger ist aber, dass der Wille zu vielen griffigen Umweltschutzmassnahmen in allen Parteien gestärkt ist.
Die Stadt Zürich setzt sich schon seit Jahren mit konkreten Massnahmen für den Umweltschutz ein und realisiert Massnahmen, um Energieverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen auf dem Stadtgebiet zu senken. Die Zürcher Stimmbevölkerung hat sich im Jahr 2008 mit grosser Mehrheit zur 2000-Watt-Gesellschaft bekannt und ein ambitioniertes Klimaziel in der Gemeindeordnung verankert. Zürich soll bis 2030 klimaneutral werden. Das sind ambitionierte und verfolgenswerte Ziele.
Ist Glaube Ihrer Meinung nach Privatsache?
Grundsätzlich ja. Im Zentrum steht das gute und respektvolle Zusammenleben – auch unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Es ist hierbei eine staatliche Aufgabe, die Voraussetzungen zu schaffen, dass jede und jeder ihren und seinen Glauben sichtbar leben kann – individuell und als Teil einer Religionsgemeinschaft. Für den Frieden in unserer Gesellschaft von Bedeutung ist der interreligiöse Dialog auf Augenhöhe. Nur wenn wir miteinander sprechen, lernen wir einander kennen und schätzen – auch verschiedene Religionsgemeinschaften.
Wie leicht fällt es Ihnen, über Ihre persönlichen Wertevorstellungen und Glaubensüberzeugungen zu sprechen?
Ich lebe klar nach meinen persönlichen Werten. Besonders wichtig sind mir Empathie, Respekt und Solidarität. Das ist für mich der Kitt einer Gesellschaft.
Man hört manchmal Stimmen, die sagen, unsere Welt wäre ohne Religion friedlicher. Sehen Sie das auch so?
Wenn unter dem Vorwand von religiösen Überzeugungen Kriege geführt werden, torpediert das Religionen zugrundeliegende Wertehaltungen. Gewalt ist immer das falsche Mittel, um mit unterschiedlichen Überzeugungen umzugehen.
Was würden Sie als Stadtpräsidentin den christlichen Gemeinschaften und Kirchen gerne als Wunsch und Anliegen auf den Weg geben?
Die Nächstenliebe erachte ich als sehr hohes Gut. Solidarität mit den Schwachen, Offenheit und Respekt gegenüber anderen Lebensformen und Empathie für die Menschen: Wenn wir diese Werte leben, dann tragen wir wesentlich bei zum guten Zusammenleben in unserer Gesellschaft.
Welchen Beitrag leisten aus ihrer Sicht die Landes- und Freikirchen zum Zusammenleben und zum Wohl der Stadt?
Ich schätze ihr Engagement zugunsten der Mitmenschen und die gelebte Solidarität in den Kirchgemeinden. Deshalb bin ich auch weiterhin Mitglied der Kirchgemeinde Zürich. Diese konkrete Arbeit leistet wichtige Beiträge zu einem friedlichen, guten, solidarischen und respektvollen Zusammenleben in der Stadt.
Wann haben Sie zuletzt eine Kirche besucht?
Zusammen mit dem Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist war ich kürzlich Gast in Markus Gillis Weihnachtssendung von Tele Züri – aufgezeichnet im Grossmünster. Noch bis vor zwei Jahren hatte jeweils Pfarrer Sieber in dieser Sendung einen grossen Auftritt: Ein Vorbild an nicht zu übertreffender Menschenliebe, einer, der sich stets für die am wenigsten Privilegierten eingesetzt hat.