EE Schweiz

«Kirche soll wieder Gesellschaft prägen»

Zoom
Bernhard Lüthi (Bild: EE Schweiz)
Ereignisse auf anderen Kontinenten zeigen: Wenn die Kirche prägend wird, «erneuert sich die Gesellschaft und es kehrt Frieden und Freiheit ein», beobachtet Bernhard Lüthi, Leiter von «EE Schweiz». Dies wünscht er sich auch für unsere Breitengrade.

Bernhard Lüthi, vieles hat sich in den letzten Monaten und Jahren verändert – wie ist EE Schweiz davon betroffen?
Bernhard Lüthi:
Sehr direkt! Als der Lockdown verhängt wurde, sistierten wir alle Kurse. Nach den Lockerungen im Sommer 2020 wagten wir wieder einen Neustart. Durch die erneuten Verschärfungen wichen wir für die praktischen Übungseinheiten ins Zoom aus. Eine, wie wir entdeckten, praktikable Möglichkeit. Es gibt aber mindestens zwei nicht zu unterschätzende Hürden: Erstens, Kursteilnehmende brauchen ein weites Beziehungsnetz von Menschen, welche am Glauben interessiert sind und sich bereit erklären, mitzumachen. Zweitens, über die digitale Plattform bleibt immer etwas Distanziertes zurück. Dafür ist man zeit-, wetter- und ortsunabhängig und damit auch flexibler.

Manches hat sich – Sie sagen «leider» – nicht verändert. Was wünschen Sie sich, dass sich ebenfalls verändert hätte?
Ich wünsche mir, dass Kirche wieder gesellschaftsgestaltend wirkt. Nach meinem Empfinden haben wir uns leider zu sehr abgemeldet. Es ist sehr traurig und ein Indiz, dass etwas falsch läuft, wenn eine Krise wie Corona für die Kirche existenzbedrohend wird. Ich wünsche mir wieder ein viel deutlicheres und klareres Selbstverständnis, wofür wir eigentlich stehen. Es muss uns wieder vielmehr darum gehen, wie das Reich Gottes die Welt durchdringt und nicht darum, wie wir Menschen in die Kirche bringen können.

Das Fundament ist Jesus, der alle unsere Krankheiten und Sünden getragen hat (Jesaja Kapitel 53, Verse 4ff). Weder die Medizin noch die Politik kann den Menschen Hoffnung geben, höchstens etwas vertrösten. Aber die Botschaft vom Kreuz (1. Korinther Kapitel 1, Vers 18) ist zwar für viele eine Torheit, für die, die glauben, aber das Licht und die Hoffnung (Johannes Kapitel 12, Vers 46). Wir, die Kirche, müssen nicht immer mehr danach streben für die Welt attraktiv zu sein, sondern was die Menschen brauchen ist Jesus Christus, ihren Erlöser. Er hat dem Tod die Macht genommen (Römer Kapitel 6, Vers 9 und 1. Korinther Kapitel 15, Vers 55). Ich wünsche mir also einen Glauben, der nicht auf das Hier und Jetzt fokussiert wird. Entscheidend ist nicht, ob ich heute diesen Jesus erlebe, entscheidend ist, dass ich die Ewigkeit mit ihm verbringen darf. Wir müssen uns nicht damit abmühen, Jesus näher zu den Menschen zu bringen. Jesus hat uns versprochen, dass er bei uns ist (Matthäus Kapitel 28, Vers 20). Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zu Jesus zu bringen (vgl. Johannes Kapitel 1, Vers 45-49).

Welche Chancen sehen Sie?
Die Pandemie hat mitgeholfen, dass Menschen sich viel mehr mit der Endlichkeit befassen und damit auch der Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott mehr Raum geben, welche schöpfungsmässig in jedem Menschen angelegt  ist. Weil Gottesdienste, Glaubenskurse, ja sogar Kleingruppen online stattfinden, nutzen Menschen diese Angebote, welche vorher kaum einen Fuss über die Kirchenschwelle gewagt hätten. Mir persönlich bot sich die Chance, dass ich in der Brass Band, in welcher ich Mitglied bin, massgeblich kreativ Einfluss nehmen konnte, damit wir trotz der Einschränkungen unser geliebtes Hobby weiter pflegen durften und damit im Dorf vielen anderen Menschen mit unseren Auftritten Freude bereiten konnten. Das wiederum hat mir einen Respekt und einen Zugang zu den Herzen der Menschen verschafft, den ich so vorher nicht hatte.

Eine Krise deckt auch Schwächen auf. Ob als Kirche oder im persönlichen Glauben, wo wir solche entdeckt haben, haben wir nun die Chance, diese anzugehen und nicht einfach in den alten «Trott» zurückkehren.

Sie betonen, dass die Ausbildung von Menschen zusehends wichtiger wird – weshalb?
Weil Bildung von jeher eine wesentliche Grundlage für die Ausbreitung des Evangeliums war, beziehungsweise ist. Ungebildetheit führt zu Einschränkungen (vergleiche 1. Korinther Kapitel 14, Vers 34). Ob wir uns für eine neue Stelle bewerben oder eine Beförderung anstreben, die Grundlage dazu ist eine entsprechende Ausbildung. Im beruflichen Umfeld ist es normal und notwendig, dass man sich immer weiter aus- und weiterbildet. Wenn es um den Glauben und insbesondre ums Bezeugen des Evangeliums geht, ist eine solide Ausbildung plötzlich aussergewöhnlich, gar befremdlich. Warum eigentlich?

Lernen wir doch aus der Geschichte. Bildung spielte eine wesentliche Rolle, um den Herausforderungen der Zeit begegnen zu können. In der Reformation oder in der Erweckungsbewegung gründeten sie Schulen mit der Bibel als dem wichtigsten Schulbuch. Das Lesen der Bibel, das Auswendiglernen von Bibeltexten veränderte das Denken und die Einstellung zur Schöpfung und dem Geschöpf. Die heutige westliche Schule hat dieses Schulbuch längst aufgegeben. Was mir aber viel mehr Sorge bereitet, ist die Beobachtung, dass das Bibelwissen und damit die Fähigkeit, seinen Glauben zu artikulieren, unter Christen seit Jahren abnimmt. Deshalb lernen und trainieren wir Christen durch das Ausbildungswerk EE in der Fähigkeit, den Glauben logisch, bildhaft und nachvollziehbar zu formulieren. EE hat sowohl für Erwachsene wie für Kinder Kursangebote. Ein weiteres Standbein ist «Confession», die Jahresschule für Evangelisation und Apologetik. Neben dem Unterricht muten wir den Studenten als Hausaufgaben zu, die Bibel in diesem Jahr ganz durchzulesen und mehrere Dutzend Bibelverse auswendig zu lernen.

Was liegt Ihnen gegenwärtig in besonderer Weise auf dem Herzen?
Dass wir / die Kirche nicht den Fehler begehen, das Evangelium attraktiver machen zu wollen. EE wird manchmal dafür kritisiert, dass wir vom «Ewigen Leben» und von der «Sünde» sprechen. Ich kann die Kritik einordnen, weil wir beobachten, dass sich der heutige Mensch nichts beziehungsweise etwas ganz anderes unter diesen Begriffen vorstellt. Müssen wir deswegen diese zentralen biblischen Begriffe aufgeben? Nein! Aber wir müssen die Arbeit leisten, die Begriffe so zu füllen und zu erklären, dass die Menschen sie verstehen, wie Gott sie uns in der Schrift gegeben hat. Da schliesst sich der Kreis: Kirche soll wieder die Gesellschaft prägen. Wo immer das geschieht, das sehen wir in der Geschichte und das beobachten wir auf anderen Kontinenten, erneuert sich die Gesellschaft und es kehrt Frieden und Freiheit ein. Menschen und Natur werden nicht mehr ausgebeutet, sondern blühen auf.

Wir als Jünger Jesus, müssen uns weder darum sorgen, von der Welt überrannt zu werden, noch müssen wir uns anpassen. Es liegt mir am Herzen, dass wir neu die Bedeutung von dem entdecken, was Jesus in Johannes Kapitel 17 betete, dass wir nicht von der Welt sind, Gott uns aber auch nicht aus dieser Welt nehmen soll.

Was will EE Schweiz in den nächsten Monaten auslösen?
Mir gefällt die Stossrichtung der Frage nicht. Weil sie impliziert, dass wir als Menschen, als Werk oder als Kirche nur die richtigen Hebel zu betätigen hätten, dann würde es schon funktionieren. Wo wir Kirche, Reich Gottes oder Evangelisation managen, bleibt es beim menschlich machbaren. Wofür aber EE stehen soll, ist die Haltung Samuels und Jesajas: «Hier bin ich, rede, dein Knecht hört!» und «Hier bin ich, sende mich!»

Zur Webseite:
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Zum Thema:
Seit 20 Jahren: So erweckt «EE Schweiz» Mundtote zu sprudelndem Leben
Zeitzeichen: Werden Christen zur Parallelgesellschaft?
Freikirchen.ch: Wie die Freikirchen «systemrelevant» geworden sind

Datum: 23.11.2021
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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