Das Städel-Museum in Frankfurt ist mächtig stolz:
Den Verantwortlichen ist es gelungen, 50 Kunstwerke des wohl
bekanntesten Malers des 19. Jahrhunderts für eine Ausstellung zu
bekommen. Es lohnt sich, im Genie auch den Christenmenschen und Prediger
zu entdecken.
Vincent Van Gogh
Vincent van Gogh habe gerade in Deutschland bei vielen Künstlern
geradezu zu einem «Erweckungserlebnis» geführt, sagte Kurator Felix
Krämer bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der Ausstellung «Making van
Gogh» im Städel-Museum am Montag. Man habe den Niederländer fast schon
religiös überhöht, ihn, den leidenden Künstler, zum Messias einer neuen
Kunstepoche gemacht.
In der Tat war dieser rothaarige, widerspenstige und wohl auch
schwierige Mensch eine Zäsur in der Kunstgeschichte. Seine Gemälde
können auch heute noch fast jeden Betrachter durch strahlende Farben und
originelle Formgebung in ihren Bann ziehen. Unverkennbar sind van Goghs
kleine Pinselstriche, mit denen er viele seiner Bilder gestaltete.
Manchmal vermitteln sie die flirrende heisse Luft eines südfranzösischen
Sommers, ein anderes Mal spürt der Betrachter die matte Melancholie
durch grüne und blaue Farbtöne. Dass van Gogh psychisch krank war und
(so die Vermutung) am Ende Selbstmord beging, sorgte zusätzlich dafür,
dass der Maler zu einem Mythos wurde, zum Innbegriff des wahnsinnigen
Genies.
Im ersten Beruf Prediger
Dabei ist vielen gar nicht bewusst, dass van Gogh nur auf dem zweiten
Berufsweg Maler war. Im ersten Beruf war er Prediger. Aufgewachsen in
einer frommen Pastorenfamilie, wollte van Gogh in die (viel zu grossen)
Fussstapfen seines Vaters treten und ein ebenso guter Pfarrer werden. Dem
Anspruch wurde er nie gerecht; er scheiterte schon am Theologiestudium.
Er lebte in Armut und Schmutz und wollte als Geistlicher ganz für die
Arbeiter eines belgischen Kohlereviers da sein. Doch die Kirchenvertreter
wünschten sich ein sauber strahlendes Vorbild, das sonntags von der
Kanzel theologisch-tiefsinnige Predigten hält.
Weltlich betrachtet
scheiterte van Gogh gleich zwei Mal, als Maler und als Pastor. Als Maler
verstanden ihn die Leute nicht, er verkaufte in seinem ganzen Leben so
gut wie kein Bild. Heutzutage gehören seine Gemälde zu den wertvollsten
überhaupt. Als Prediger des Evangeliums der Armen wurde er von der
eigenen Kirche verkannt. Wer mehr über den Glauben van Goghs wissen
will, dem sei die Lektüre des umfangreichen und sehr persönlichen
Briefaustauschs mit seinem Bruder Theo empfohlen, der als Buch
veröffentlich wurde.
Suche nach Wahrheit und Gottes Liebe
Es lohnt sich zu versuchen, hinter dem wahnsinnigen Genie den
Christenmenschen van Gogh zu sehen, der zeit seines Lebens auf der Suche
nach der Wahrheit, nach dem Schönen und nach der Liebe Gottes war. In
seinen Bildern erstrahlt diese Suche auf, und vielleicht ist es genau
das, was die Menschen so an seine Bilder fesselt.
Die
van-Gogh-Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum ist bis zum 16.
Februar 2020 zu sehen. Eine dringende Empfehlung – und das explizit
nicht nur für Kunst-Experten.