Livenet-Talk

«Nie die Hoffnung verlieren»

Wenn es hell ist, dann redet man leicht von Hoffnung, aber wie lässt sich die Fackel der Hoffnung weitergeben, wenn scheinbar alles dunkel bleibt? Wie schöpfen Christen Hoffnung und werden selbst zu Hoffnungsträgern? Florian Wüthrich sprach darüber im Livenet-Talk mit Andrea Wegener und Andreas «Boppi» Boppart.

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Livenet-Talk mit Moderator Florian Wüthrich und den Gästen Andrea Wegener und Andreas Boppart (Bild: Livenet)
Im Rahmen der Talks von Livenet hatte Redaktionsleiter Florian Wüthrich Andrea Wegener zu Gast, die im berüchtigten Flüchtlingscamp «Moria» auf Lesbos arbeitet (Livenet berichtete) und Andreas Boppart, der gerade das Buch herausgegeben hat: «Hoffnung – Zuversicht in Zeiten von Corona». Die Mitarbeiterin der Hilfswerke Eurorelief und GAiN und der Missionsleiter von Campus für Christus äusserten sich zum Thema Hoffnung.

«Bloss nicht noch ein Buch»

Er hat zwar viele Ideen, doch dies war nicht seine. Als der SCM Verlag Andreas Boppart anfragt, ob er sich vorstellen könnte, ein Verteilbuch zur Corona-Pandemie herauszugeben, ist sein erster Impuls: Nein! Sein Eindruck ist, dass momentan so viele Themen hochkochen – die Gleichstellung von Mann und Frau, #metoo, #blacklivesmatter –, dass er keine dieser lauten Stimmen und Gegenstimmen sein will. «Ich wollte nichts zu Corona sagen», meint er und ergänzt drastisch: «Manchmal muss man einfach die Fresse halten und zuhören.»

Allerdings ist das Buch ja inzwischen erscheinen… Boppi lächelt und erklärt, dass bei der Anfrage im Untertitel von Hoffnung die Rede war – und das ist bereits seit Jahren «sein» Thema. Also hat er zugesagt und sich «17 wilde Leute gesucht, die verrückt genug waren, innerhalb von 14 Tagen einen Beitrag zum Buch zu schreiben». Eine seiner Co-Autorinnen ist Andrea Wegener.

«Notstand ist normal»

Andrea Wegener ist Optimistin. Aber sie lebt in einem Umfeld, wo man das verlernen könnte. Ihren Buchbeitrag «Notstand ist Normal» können Sie hier übrigens auch online lesen. «Wir sind hier in einer Dauerkrise», beschreibt sie ihre Situation. Und manchmal hilft ihr das Aktiv-sein-Müssen gegen Hoffnungslosigkeit. Wenn sie allerdings still wird, merkt sie: Die Menschen sind immer noch da – und auch Gott ist noch derselbe. Überall entdeckt sie seine Handschrift. Sie freut sich an anderen Helfern, die «das System ändern wollen». Ihr eigener Beitrag ist es allerdings eher, den Einzelnen zu sehen und Gottes Liebe weiterzugeben als persönliche Zusage: «Ich habe dich nicht vergessen. Ich sehe dich und begegne dir.»

Zwischen Versorgungsengpässen, Gewalt und politischer Perspektivlosigkeit kann sie sich daran freuen, wenn durch die Arbeit von Christen im Lager ein Dschihadist zum Glauben kommt und im Alphakurs in die Runde fragt: «Ich habe den Eindruck, dass ich meine Frau nicht mehr verprügeln sollte. Wie macht ihr anderen das denn so?» Hoffnung hat viele Gesichter!

«Dahin wäre Christus auch gegangen»

«Es inspiriert mich, an solche Orte zu gehen, an die mein Christus auch gegangen wäre», nimmt Andreas Boppart den Faden auf. Er unterstreicht: «Mein Christus ist immer wieder in die tiefsten Nöte der Menschen hineingegangen… und Menschen wie Andrea, die sich aufmachen, das ist für mich immer auch Christusähnlichkeit…»

Denn Hoffnung entfaltet ihr Potenzial gerade in der Begegnung mit den Schattenseiten dieser Welt. Sie lässt sich allerdings nicht einfach produzieren. Andreas Boppart malt dafür das Bild, dass wir als Menschen im Schlamm sitzen. Wenn wir aus diesem Schlamm unseren Gott formen, dann ist der nicht besonders haltbar. Die erste Krise wischt ihn hinweg. Doch wenn ich ihn nicht selbst «aus meinem Lebensschlamm» zusammensetze, sondern erlebe, dass Gottes Hoffnung von aussen in mein Leben hineinkommt, dann ist sie ein himmlisches Geschenk – und tragfähig. «Und sie ist und bleibt da, auch wenn keine Veränderung oder Heilung geschieht – dann bleibt trotzdem der Horizont Christus; am Ende ist er.»

Hoffnungsmenschen

Andrea Wegener ist für viele ein Vorbild – und gleichzeitig unerreichbar. Wer verlässt denn einfach sein normales Alltagsleben mit all den Annehmlichkeiten und zieht an den Rand von Europas grösstem Flüchtlingslager? Sie selbst wehrt sich gegen diese Gedanken. Sie fühlt sich nicht als Heldin. Ihr humanitärer Einsatz in Griechenland hat allerdings auch schon eine Geschichte in ihrem Leben: Vorher war sie bereits in Afrika, in Haiti und im Irak. Und als sich die Möglichkeit einer Mitarbeit im Camp Moria abzeichnete, hat sie Gott gesagt: «Ich bin bereit. Ich will dahin gehen, wo es wehtut.»

Andreas Boppart ist ebenfalls für viele ein Vorbild – und gleichzeitig unerreichbar. Wer stellt sich denn mal eben auf eine Bühne und bietet Tausenden einen unterhaltsamen Abend, der ausserdem noch Tiefgang hat? Er unterstreicht im Interview: «Das Leben wird für mich glaubensmässig und lebenstechnisch immer komplexer und komplizierter.» Tatsächlich startet man naiv und fröhlich in den Glauben, doch das Leben ist nun einmal nicht leicht. Der Campus-Leiter betont seine Strategie: Viele komplizierte Auseinandersetzungen sind für ihn nicht zielführend. «Der Kern wird für mich immer einfacher. Ich möchte meine persönliche Beziehung zu Christus lebendig halten. Das ist meine ganze Quintessenz als Hoffnungsmensch.»

Hoffnung hier und heute

«Wenn ich nach einem anstrengenden Tag im Lager abends Facebook öffne und lese, was viele Christen beschäftigt, dann frage ich mich oft: Geht’s noch? Habt ihr denn keine echten Probleme?» Das merkt Andrea Wegener an. Und sie vermutet, dass es auch daran liegt, dass viele Menschen in Deutschland und der Schweiz zu viel Zeit haben und sich deshalb irgendwelche Grabenkämpfe liefern. Gleichzeitig betont sie, dass es natürlich in Mitteleuropa genauso wie auf Lesbos möglich ist, über unterschiedliches Denken hinaus gemeinsam im Dienst zu stehen.

Genau das ist es, was Christen Hoffnung gibt, dass ihr Christus der ist, mit dem es sich zu leben und auf den es sich zu warten lohnt. Da wird die vorwurfvolle Frage: «Gott, wo bist du?» zur hoffnungsvollen Frage: «Gott, wo bist du in alldem, was hier gerade geschieht? Wo handelst du? Wo soll ich mich einbringen?»

Zum Schluss betont Andreas Boppart seinen Schlüssel für ein hoffnungsvolles Leben: «Wir müssen wieder neu in diese Christusbeziehung zurückfinden.» Das klingt zwar simpel – vielleicht für viele zu einfach –, ist aber sein «Rezept» fürs Leben: «Ich möchte einfach nah an diesem Christus sein, an der Quelle meiner Hoffnung.»

Den Talk in voller Länge anschauen:

Zum Thema:
Dossier Hoffnung in der Krise
Hoffnung in Coronazeiten: Viel mehr als ein «Warten auf Godot»
Hoffnung wird stärker: Die Corona-Krise und unsere Zukunft

Datum: 24.07.2020
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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