Die Parallelen zwischen der Welt der Geige und der Welt des Glaubens
zeigt der Geigenbauer und studierte Physiker Martin Schleske in seinem
neuen Buch auf. Hinter jedem Holz steckt ein Klang, hinter jedem Fragen
ein Weg zu Gott.
Martin Schleske baut bekanntermassen nicht einfach nur Geigen. Für ihn
hängt weit mehr an diesem Beruf, als aus Holz gute Klangkörper zu
machen. Schleske dachte sich geradezu in die Philosophie des Geigenbaus
ein, er ging ihr auf den Grund, studierte sogar Physik, und sein ganzes
Weltbild und seinen Glauben kann er mit dem Geigenbau verbinden.
Nach
«Der Klang» (2010) und «Herztöne» (2016) veröffentlicht der gläubige
Geigenbauer nun sein drittes Buch, das im bene!-Verlag erschienen ist.
Es trägt den schlauen Titel «WerkZeuge», und die Zweideutigkeit wird
vielleicht erst durch die grafische Anordnung der Wortbestandteile auf
dem Cover so richtig deutlich. In der Tat spricht Schleske in seinem
Buch auch über seine Werkzeuge, sie werden aber eben auch zu «Zeugen»
seines «Werkes», und das ist eine ganz eigene Philosophie.
Sein grosses Lebensthema
Der
Untertitel «In Resonanz mit Gott» lässt diese Ur-Philosophie des
Geigenbauers anklingen, die nicht so weit entfernt ist vom Werk des
deutschen Soziologen Hartmut Rosa, der 2016 dem Thema sogar ein eigenes –
gar nicht religiöses – Buch widmete und der, nebenbei bemerkt,
passionierter Organist ist. «Wir wissen heute durch die moderne Physik,
dass Schwingungen das alles ordnende und erhaltende Prinzip der Materie
sind», schreibt der Geigenbauer Schleske. «Sie sind es, die alles im
Innersten zusammenhalten.» Resonanz sei sein «grosses Lebensthema». Gott
wolle mit dem Menschen in Resonanz treten, und das ist bei Schleske
keine hohle Phrase. «Immer wieder ist in der Bibel das Mysterium
angedeutet, dass der Mensch in der Lage ist, Geschehnisse in Gott
auszulösen.» Und: «Das Resonanzgeschehen ist im Grunde das, was Heiliger
Geist bedeutet.»
Vieles dürfte Lesern der ersten beiden Bücher
Schleskes oder den Besuchern seiner Vorträge bekannt vorkommen. «Als
Geigenbauer bringe ich nur das gewachsene Holz zum Klingen. Ich mache es
nicht. Es ist alles schon da», schreibt er und umreisst damit den Kern
seines Menschen- und Weltbildes. Und natürlich finden sich weitere
«echte Schleskes» darin, beispielsweise: «Unser Herz ist wie ein
Resonanzboden. Wie jedes Instrument, so hat auch unser inneres Leben –
das Herz – seinen eigenen, unverwechselbaren Klang.» Oder: «Wirkliche
Demut bedeutet, zu spüren, was durch uns geschehen soll. So erfüllen wir
unseren Klang.»
Akustik verhält sich zu Klang wie Theologie zu Glaube
Schleske in der obersten Etage eine Kapelle eingerichtet. Hier werden
von ihm die fertigen Geigen ausprobiert. Aber er zieht sich auch
mehrmals täglich zum Meditieren und zum Gebet in diesen Raum zurück.
«Manchmal kann der Musiker, die Musikerin, wenn sie zum ersten Mal ihr
gerade fertig gewordenes Instrument erleben, sich nicht gegen die Tränen
wehren», schreibt er. «Das sind die Glücksmomente im Geigenbau. Der
Klang berührt die Seele, und der Mensch beginnt auf seinem Instrument zu
singen. Diese Art der Erfahrung ist letztlich mit dem Begriff glauben
gemeint.»
Das neue Buch sei ein Zeugnis seines Sprechens mit
Gott. «Ich lade nicht in mein Labor, sondern in den Konzertsaal des
Lebens ein», schreibt Schleske und erklärt: «Das Verhältnis zwischen
Akustik und Klang ist wohl vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen
Theologie und Glaube.» Es wäre traurig, wenn ein Akustikforscher sein
Leben lang eifrig im Labor war, aber nie im Konzert.
Ein wenig
erfährt der Leser über die Herausforderungen des Geigenbaus, über die
wichtigsten Werkzeuge, die Suche nach dem richtigen Holz und dass man
auch mit minderwertigem Holz, aber einer anderen Herangehensweise
trotzdem Schönes schaffen kann, über Farbpigmente, Abstecheisen und
Feinsäge. Fast immer gelingt dem Autor dabei der tiefgründigere Blick.
Er zieht Parallelen zwischen der Welt der Geige und der Welt des
Glaubens. Das Zuhören, auf das Wort Hören sind in beiden wichtig, mit
dem Herzen das Wesen erkennen und die Bestimmung finden ebenso.
Klare Botschaft statt Wischiwaschi-Philosophie
Was ist dieses Buch also? Für ein Andachtsbuch ist es zu
uneinheitlich; für eine philosophische Abhandlung ist der Autor zu sehr
bei sich selbst. Es ist eher ein Lauschen in die Gedankengänge
Schleskes. Und erfreulicherweise hat dieser Mann wirklich etwas zu
sagen. Er wolle eine Zwiesprache zwischen sich und Gott wiedergeben,
schreibt er im Vorwort. Innerhalb von 21 Monaten habe er Texte in sein
Sprachnotizprogramm eingesprochen, an der Werkbank, in der Stille am
Morgen, im Lackierraum, im Wald oder nach dem Reiten. Gelaber sind die
Texte deswegen aber keineswegs.
Das Buch will keine Theologie
begründen, keine Philosophie erklären oder Antworten auf konkrete Fragen
geben. So ist «WerkZeuge» zwar eine Art Meditation, aber stets mit
Bezug zur Bibel und zu Jesus Christus. So druckte Schleske, der
Sympathien zur hinduistischen Bhagavad Gita hegt, eben auch nichts
anderes als ein Bekehrungsgebet ab («Jesus, du allein sollst der Meister
meines Lebens sein…»). Schleske ist nicht der Zen-Meister, der
unverbindliche religiöse Weisheiten aneinanderreiht, er vertritt hier
keine Wischiwaschi-Philosophie, ihm ist klar: «Jesus sagte nicht: 'Ich
bin der Wunsch', sondern: 'Ich bin die Wahrheit'.»
Nicht jedem
liegt es, derartigen kontemplativen Betrachtungen länger zu folgen. Aber
es sind genau 366 Texte, vielleicht wird das Buch ja zum alltäglichen
Impulsgeber, also doch zu einer Art Andachtsbuch? Vielleicht wird dem
einen oder anderen das Buch ja zu einer Schule im tiefgründigeren
Hinsehen, im Lauschen auf das, was hinter den Dingen steck. Wer hier
nicht nur «drüberliest», sondern sich Zeit nimmt, lernt vielleicht vom
Geigenbauer, Physiker und Philosophen Schleske, Gottes Botschaften in
den nur scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten zu finden.