In
der Schlussabstimmung der Dezembersession der eidgenössischen Räte wurde eine
sogenannte «Diskriminierungserweiterung» beschlossen. Damit wird der Begriff
«sexuelle Orientierung» zu einem Kriterium im Strafrecht.
Die EDU hatte bereits im Vorfeld der Schlussabstimmung Vorbereitungen für ein
nationales Referendum getroffen. Der «Standpunkt» im Gespräch mit dem Mediensprecher
des Referendumskomitees, Sam Kullmann.
Sam Kullmann
Sam
Kullmann, waren Sie auch schon Opfer von Diskriminierung? Sam Kullmann: Ich habe den grössten Teil meiner Kindheit in der Mongolei verbracht.
1997 besuchte ich jedoch in der Schweiz die 5. Klasse. In der Schule habe ich
Mobbing von älteren Schülern erfahren. Den Grund dafür kenne ich bis heute nicht
genau.
Was löste das in Ihnen aus und wie gingen Sie damit
um? Ich hatte mich in jenem Jahr innerlich
stark zurückgezogen und wollte teilweise nicht mehr zur Schule gehen. Leider
wurde ich später selber zum Täter, indem ich andere Kinder «plagte». Vor etwa einem Jahr hat mir Gott aufgezeigt, dass die
Erlebnisse in der Schule in mir eine tiefsitzende Unsicherheit auslösten. Ich durfte
innere Heilung empfangen.
Die Schweiz kennt seit 1995 die sogenannte
Antirassismusstrafnorm. Worum ging es dabei?
Dieser Gesetzesartikel stellt zum Beispiel
die so genannte «Hassrede», die Rassendiskriminierung und die Leugnung von
Völkermord unter Strafe. Das Schweizerische Strafgesetzbuch sieht Geldstrafen
oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor (Art. 261 StGB).
Die Einführung des Antirassismusgesetzes war teils
umstritten. Waren die Vorbehalte gerechtfertigt oder hat sich das Gesetz
bewährt?
Für mich hat das Gesetz für schwerwiegende
Fälle eine Berechtigung. Ich finde es zum Beispiel sehr stossend, wenn jemand
den Holocaust oder einen anderen Völkermord leugnet. Dies ist ein ungeheurer Affront
gegenüber den Opfern und deren Angehörige. Gleichzeitig ist die
Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Grundrechte in einem freiheitlichen
Staat und sollte nur unter allerhöchster Zurückhaltung eingeschränkt werden. Je
nachdem, wo man hier die Linie zieht, fällt die Beurteilung des Gesetzes
unterschiedlich aus.
Sie haben zu Beginn Ihrer politischen Laufbahn ein
Praktikum in Brüssel absolviert. Wie geht die EU mit der Thematik um?
Die EU hat eine
Antidiskriminierungsrichtlinie, an der sich die Gesetze der EU-Mitgliedsstaaten
orientieren müssen. Das EU-Parlament hat diese Richtlinie bereits um das
Kriterium der sexuellen Orientierung erweitert. Zurzeit wird die Vorlage jedoch
im Europäischen Rat, dem obersten Gremium der EU, noch blockiert, da dafür
Einstimmigkeit erforderlich ist. Viele westeuropäische Länder haben unabhängig
davon jedoch ziemlich strenge Gesetze eingeführt.
Was bleibt aus Ihrer Brüsseler Zeit in Erinnerung?
Ich durfte schnell eine lebendige christliche
Gemeinde und gute Freunde finden. Einen politischen Kulturschock hatte ich
angesichts der Komplexität der EU-Politik. Zu manchen Gesetzen gab es nicht
selten Hunderte von Änderungsanträgen. Ich frage mich, wie man da als Politiker
und geschweige denn als Bürger die Übersicht behalten kann. Es überrascht kaum,
dass in Brüssel über 30'000 Lobbyisten arbeiten…
In der Schlussabstimmung der Dezembersession wurde
eine sogenannte Diskriminierungserweiterung gutgeheissen. Was ist darunter zu
verstehen?
Es geht darum, dass die sexuelle
Orientierung beziehungsweise der Umgang damit in der Öffentlichkeit nun ein
neues Kriterium in der Rassismus-Strafnorm darstellt.
Die EDU hat zusammen mit anderen Kräften ein
Referendum geprüft. Warum?
Erfahrungen aus dem Ausland mit ähnlichen
Gesetzen zeigen, dass dadurch die Gewissens- und Meinungsfreiheit eingeschränkt
wird. Kritische Äusserungen gegenüber einem homosexuellen Lebensstil haben
bereits zu teilweise langen Gerichtsverfahren geführt.
Schwingt da eine leichte Besorgnis mit?
Das ist tatsächlich so. Hier einige Beispiele:
In Grossbritannien wurden verschiedene Strassenprediger von der Polizei
abgeführt, weil sie Homosexualität als Sünde bezeichneten. In Schweden wurde
ein Pastor in erster Instanz wegen einer Predigt über Sexualethik verurteilt.
Der wohl bekannteste Fall wurde kürzlich in den USA verhandelt: Der Konditor
Jack Philips weigerte sich sehr respektvoll, eine Hochzeitstorte zu kreieren,
welche eine homosexuelle Hochzeit hätte zelebrieren sollen (Livenet berichtete). Dafür wurde er in
einen sechs Jahre dauernden Rechtsstreit verwickelt. Während dieser Zeit durfte
er keine Hochzeitstorten mehr machen (!) und musste die Hälfte seiner
Angestellten entlassen. Der Supreme Court (oberstes Gericht der USA) hat ihn letztlich
zwar freigesprochen. Doch allein die Tatsache, dass jemand dermassen
Schwierigkeiten mit der Justiz bekommen kann, ist für mich sehr bedenklich.
Sie sind Pressesprecher des Referendumskomitees und
damit das «Gesicht» dieses politischen Vorstosses. Was ist Ihnen in Ihrer
Funktion wichtig?
Ich spürte bereits 2009, dass das
Praktikum in Brüssel eine Vorbereitung auf die Zeit ist, in der die Thematik
uns in der Schweiz beschäftigen wird. Ich kann mir kaum ein schwierigeres
politisches Thema vorstellen. Mir ist eine Kultur der Ehre extrem wichtig. Ich
hoffe und bete, dass wir unser Anliegen so respektvoll und freundlich wie
möglich vermitteln können. Im Johannesevangelium lesen wir, dass Jesus eine «Herrlichkeit
voller Gnade und Wahrheit besitzt» (Johannes, Kapitel 1, Vers 14). Die Kombination von Gnade und
Wahrheit ist herausfordernd, aber sehr wichtig. Ich habe selbst Freunde und
Bekannte, die homosexuell empfinden oder in einer homosexuellen Beziehung sind.
Ich würde mich freuen, wenn mein Engagement in dieser Sache diesen Beziehungen
keinen Abbruch tut und ich vielmehr Brücken bauen kann.
Wie antworten Sie Befürwortern der erwähnten
Gesetzesänderungen?
Ich anerkenne, dass viele Befürworter wahrscheinlich
eine gute Absicht haben. Auch ich wünsche niemandem, Hass zu erfahren, ganz im
Gegenteil! Gleichzeitig dürfen wir aber die Gefahren dieses Gesetzes nicht
ausser Acht lassen. Zunehmend wird auch in manchen westlichen Ländern die
Meinungsfreiheit immer mehr einem «Recht auf nicht beleidigt werden» geopfert.
Toleranz bedeutet nicht, mit jemandem gleicher Meinung sein zu müssen, sondern
eine Meinungsäusserung aushalten zu können, die mich vielleicht irritiert,
beleidigt oder stresst.
… und wie motivieren Sie, das laufende Volksbegehren zu
unterzeichnen?
Das Referendum ist notwendig für den
Schutz der Gewissensfreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäusserung. Scheitert
das Referendum, müssten zum Beispiel Pfarrer und Prediger auch in der Schweiz
mit Klagewellen rechnen, wenn sich die LGBT-Lobby durch gewisse Aussagen
provoziert fühlt.
Warum
ein Referendum?
«Minderheitenschutz braucht keine Zensur», ist das Referendumskomitee überzeugt. Die Erweiterung der
bewährten rechtlichen Grundlage mit dem schwammigen Begriff «sexuelle Orientierung» berge eine Gefahr für das Recht auf
Denk- und Meinungsäusserungsfreiheit. Sprach- und Denkverbote hätten in einem
demokratischen Staat keinen Platz. «Statt
legitime Meinungen zu kriminalisieren und Klagewellen zu riskieren: Nein zu
diesem unnötigen Zensurgesetz!»