Unterdrückung in Turkmenistan

Staatsbeamte als Kleriker

Der führende Erdgasproduzent Turkmenistan gehört zu den Ländern, die Glaubensfreiheit nicht kennen. Beamte der staatlichen Stelle, welche die Glaubensfreiheit aller Turkmenen einschränkt, wirken auch als Kleriker in der muslimischen oder orthodoxen Glaubensgemeinschaft.

Erneut zeigt sich dies im September, als neue hochrangige muslimische Geistliche ernannt wurden. Die meisten von ihnen, wenn nicht alle, gehören gleichzeitig dem Gengeshi (Rat) für religiöse Angelegenheiten an. Der neue Obermufti Gurban Haitliev ist - ebenso wie seine Vorgänger - gleichzeitig Beamter des Rats für religiöse Angelegenheiten der Zentralregierung. Vier Beamte, die zu Leitern der regionalen Aussenstellen des Rats bestellt wurden, wurden auch zu neuen leitenden Imamen der jeweiligen Regionen ernannt. In ihrer Doppelrolle als Beamte des Rats für religiöse Angelegenheiten und als Leiter von Religionsgemeinschaften spielen sie eine Schlüsselrolle in der Unterdrückung der Religions- und Glaubensfreiheit.

Nicht qualifiziert, aber hörig

Mehrere Muslime, die aus Angst vor staatlichen Repressionen nicht namentlich genannt werden wollen, haben sich gegenüber dem Nachrichtendienst Forum 18 über die Einmischung des Staates in das religiöse Leben beklagt. Insbesondere beklagen sie, dass man in der Wahl der Leiter Einschränkungen unterworfen sei und dass der Staat ohne Rücksprache mit den Gemeinschaften Imame einsetze, die nicht über angemessene Erfahrung oder Ausbildung in islamischer Theologie verfügten.

Beamte des Rats für religiöse Angelegenheiten auf nationaler und lokaler Ebene - darunter auch Imame - nehmen an Razzien bei nicht islamischen Religionsgemeinschaften teil und bedrohen die Anwesenden, oft im Zusammenwirken mit der Geheimpolizei des Ministeriums für Staatssicherheit. Schläge, Misshandlungen oder Drohung mit Misshandlung scheinen bei solchen Razzien weit verbreitet, doch zögern die Opfer normalerweise aus Angst vor Repressalien, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen.

Wie zu Sowjetzeiten

Zu den weiteren Aktivitäten des Rats für religiöse Angelegenheiten gehört die Einschränkung der Reisefreiheit, sowohl für Mekkapilger als auch für ausländische Besucher von Religionsgemeinschaften in Turkmenistan, weiter die strenge Zensur religiöser Literatur. Für alle wichtigen Schritte, wie die Registrierung einer Religionsgemeinschaft beim Justizministerium (ohne die sie kein Existenzrecht hat), den Erwerb eines Gebäudes für Gottesdienste oder Versammlungen, den Kauf von religiöser Literatur oder die Einladung ausländischer Gäste, ist die Genehmigung des Rats für religiöse Angelegenheiten erforderlich. Anträge auf Genehmigungen werden fast immer abgelehnt. Vertreter vieler Religionsgemeinschaften haben berichtet, dass in diesem Zusammenhang illegale Forderungen gestellt werden, insbesondere die Forderung, mit der Geheimpolizei zusammenzuarbeiten.

Wie trifft der Rat für religiöse Angelegenheiten seine Entscheidungen? Auf nationaler Ebene werden die Entscheidungen laut unbestätigten Meldungen von einem stellvertretenden Vorsitzenden getroffen, der kein Kleriker ist (derzeit Nurmukhamed Gurbanov). Der Vorsitzende ist traditionell ein Imam, Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden sind der Obermufti des Landes und ein russisch orthodoxer Priester, Vater Andrei Sapunov. Der Letztgenannte ist innerhalb der orthodoxen Gemeinschaft umstritten. Überdies ist er für alle nicht moslemischen Gemeinschaften zuständig, wobei er evangelischen und evangelikalen Christen ablehnend gegenübersteht.

Turkmenistan ist ein höchst zentralisiertes Land, in dem alle wichtigen Entscheidungen einschliesslich der Bestellung hoher Beamter von Präsident Berdymukhamedov getroffen werden. Die gleichzeitige Bestellung von Leitern der islamischen Gemeinschaft in ihre religiöse Funktion und in eine staatliche Aufsichtsfunktion über religiöse Angelegenheiten zeigt, dass die Entscheidung über hohe Funktionen innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft vom Staat und nicht von der islamischen Gemeinschaft ausgeht. Beobachter gehen davon aus, dass Entscheidungen über Positionen wie die des Obermufti nur vom Präsidenten persönlich getroffen werden.

Quellen: Livenet / Forum 18, ÖEA

Datum: 24.10.2009

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