Iran: Es ist nicht illegal, eine Hausgemeinde zu besuchen
Höchster Gerichtshof des Iran (Bild: Wikimedia)
Eine
Hausgemeinde zu gründen oder zu besuchen, wird nach iranischem Strafgesetz
nicht geahndet. Das erklärte vor Kurzem der Höchste Gerichtshof des Landes in
einem neuen Urteil, das für die vielen Christen erfreuliche Folgen haben
könnte. Nun wird Klarheit gefordert.
Im Iran wurden im
Oktober 2019 neun Christen zu je fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie
Mitglieder einer Hausgemeinde sind. Die Begründung: Sie hätten damit «gegen die
nationale Sicherheit» gehandelt – wie viele andere vor ihnen. Alle neun waren zuvor
Mitglieder derselben Gemeinde wie Pastor Yousef Nadarkhani. Der Höchste Gerichtshof des Landes
entschied nun im November, dass diese Haftstrafe unrechtmässig sei. Ihre
Mitgliedschaft in der «Evangelisch-Zionistischen Sekte», wie die christliche Bewegung im Urteil
genannt wurde, und selbst die Verbreitung ihres Glaubens sei keine Handlung,
welche die nationale Sicherheit gefährde, hiess es. Diese Entscheidung wurde
allerdings nur den Anwälten der neun Christen mitgeteilt.
Dies sei zwar
noch kein «Präzedenzfall», könne allerdings das Schicksal vieler Fälle und
Christen in Zukunft prägen, schreibt
die Organisation «Article 18» aus Grossbritannien, die sich für den Schutz der
religiösen Freiheit im Iran einsetzt. Zumal die über 20 Christen, die sich
aktuell in iranischen Gefängnissen befinden, alle aufgrund von «Handlungen
gegen die nationale Sicherheit» verurteilt wurden.
Sicherheit des
Landes nicht gestört
Diese neun Christen wurden im Iran zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Das Urteil des
Höchsten Gerichtshofes hält dagegen: «Allein das Christentum zu predigen und
für die 'Evangelisch-Zionistische Sekte' zu werben, was beides scheinbar
bedeutet, das Christentum durch familiäre Treffen (Hausgemeinden) zu fördern,
ist kein Zeichen für Treffen und geheime Absprachen, um die Sicherheit des
Landes zu stören, weder intern noch extern.» Zudem sei die «Bildung dieser
Gesellschaften und Gruppen (Hauskirchen) keine Verletzung der Artikel 498 und
499 des Islamischen Strafgesetzbuches oder andere Strafrechte». Besagte Artikel
beziehen sich auf die Mitgliedschaft und Organisation von Gruppierungen, die
gegen den Staat agieren und wurden ebenfalls jeweils im Zusammenhang mit
Urteilen gegen Christen zitiert.
Abschliessend
heisst es in dem Urteil vom 3. November 2021, über das aber erst Ende November
berichtet wurde: «Die Werbung für das Christentum und die Bildung einer
Hausgemeinde wird im Gesetz nicht geahndet.»
«Wo können wir
Gottesdienst feiern?»
Das Urteil wurde
ausgesprochen, nachdem eine Woche zuvor zwei der oben erwähnten neun Christen
sowie ein anderer Christ, der ebenfalls inhaftiert ist, einen offenen Brief und Video-Kommentare verfassten, in denen sie fragten, wo sie sich versammeln
dürfen, sobald sie freigelassen werden. «Die Kirchen in unserer Stadt wurden
geschlossen, die Türen sind geschlossen, so dass wir nicht im Kirchgebäude Gottesdienst
feiern können. Die Kirchen, die noch offen sind, sind nur für bestimmte Menschen
zugänglich – für solche, die in christliche Familien geboren wurden – und nicht
für uns (Konvertiten). Deshalb und aufgrund der Schliessungen anderer Kirchen
haben wir keinen Ort, an dem wir Gottesdienst feiern können.»
Die Organisation
Article 18 sowie andere christliche Werke haben sich zu einer Kampagne
zusammengeschlossen, die einen «#Place2Worship», also einen Ort für
Gottesdienste im Iran fordert. Einige der neun inhaftierten Christen dürften
bereits auf Bewährung freigelassen werden, hatten dies aber bisher nicht getan,
da sie Angst davor haben, erneut inhaftiert zu werden, wenn sie nach ihrer
Freilassung wieder gemeinsam beten und Gottesdienst feiern.
Sollte dieses
neue Urteil sowie die Kampagne #Place2Worship zum Tragen kommen, könnte dies für Tausende Christen im Land
bedeuten, dass sie sich endlich ohne Angst gemeinsam zum Gottesdienst treffen
dürfen. Für Mansour Borji aus dem Leitungsteam von Article 18 ist das eine sehr
erfreuliche Nachricht, doch fordert er «Klarstellung seitens der iranischen
Behörden darüber, wo persischsprachige Christen Gottesdienst feiern können ohne
Angst vor Verhaftung und Gefängnisaufenthalt».