Es gibt seit einigen Jahren einen
Trend, die Religion – auch die christliche – als Verursacher von Problemen
statt deren Lösung zu verunglimpfen. Eine Tagung an der Uni Fribourg versuchte,
dem Trend den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Heiner Bielefeldt an der Tagung in Fribourg
Beispiele
für den Trend, religiösen Gruppen und insbesondere Freikirchen eine
missionarische Gesinnung zu unterstellen und sie daher zu diskriminieren, gibt
es in der jüngsten Vergangenheit. Man denke an den Ausschluss von evangelischen
Jugendverbänden von staatlicher Unterstützung durch das Bundesamt für Sozialversicherung
und das Bundesamt für Sport in jüngster Vergangenheit (Livenet berichtete).
Zudem gibt es regelmässig Kritik aus der Politik, wenn sich Kirchenleute
politisch äussern, zuletzt namentlich durch CVP-Parteipräsident Gerhard
Pfister.
Politiker
und Kirchenleute auf dem Podium
Eine
hochkarätig besetzte Tagung, organisiert von der Schweizerischen Evangelischen
Allianz und der Universität Fribourg, setzte am Freitag (15. März 2019) einen
Gegentrend mit der Tagung «Religion – raus aus der Öffentlichkeit. Ist Glaube
reine Privatsache?» Dabei waren mit Gerhard Pfister, Eric Nussbaumer und
Marianne Streiff gleich drei Mitglieder des Nationalrates. Ausserdem
reformierte und protestantische Ethiker und Religionswissenschafter wie der
ehemalige UN-Sonderbotschafter für Religionsfreiheit, Prof. Heiner Bielefeldt
oder Prof. Frank Mathwig, Ethiker beim SEK.
Aber auch die Freidenker waren mit ihrem Präsidenten Andreas Kyriacou auf dem
Podium vertreten.
Voraussetzungen
für einen demokratischen Rechtsstaat
Daniel Bogner
Prof.
Daniel Bogner von der Uni Fribourg erinnerte die Politik an das «Böckenförde
Diktum»: «Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die
er selbst nicht garantieren kann.» Es wird der Demokratie nicht gut tun,
wenn sie die christlichen Kirchen nicht mehr als Player in der Politik wünscht.
Denn die Demokratie lebt letztlich von christlichen Werten wie Rücksicht auf
die Schwachen, Schutz des Lebens, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit.
Die
Tagung vermied es allerdings, diese Werte einem Schariah-Staat gegenüberzustellen.
Religionsfreiheit soll für alle gelten, auch für die, welche die Demokratie
abschaffen wollen. An der Tagung in Freiburg machte Prof. Heiner Bielefeldt
aber auch klar, dass Religionsfreiheit ein Recht für die Menschen und nicht für
Institutionen ist.
Menschenrechte
contra Religionsfreiheit?
Er
war es auch, der sich im Blick auf aktuelle Meinungen dagegen verwahrte, die
Religionsfreiheit gegen die Menschenrechte auszuspielen. Es gebe liberale
Kreise, die sich davor fürchten, dass mit Berufung auf die Religionsfreiheit
Errungenschaften der heutigen Gesellschaft in Frage gestellt würden. Es müsse
klar gestellt werden, dass die Religionsfreiheit selbst ein Menschenrecht sei.
Zum Beispiel das Recht, seine Religion zu wechseln, aber auch, sie zu behalten.
Gerhard
Pfisters Provokation
Gerhard Pfister
Dass
Kritik an politischen Äusserungen von Kirchenleuten von einem Parteipräsidenten
kommt, der das «C» im Logo hat, erstaunt vor dieser Einsicht. Gerhard Pfister
konnte seine Kritik an kirchlichen Exponenten in Fribourg präzisieren. Es wurde
deutlich, dass er sich davor verwahrt, dass eine kirchliche Autorität als Hebel
für politische Kritik eingesetzt wird.
Dennoch ist es gut, dass diese Fragen
jetzt in einem Thinktank Kirche/Politik weitergedacht werden. Sie kann
sonst dem weiteren Abdrängen christlicher Ethik aus der Politik dienen. Denn es
stimmt nach wie vor, was der Ethiker Daniel Bogner an der Tagung in Anspielung
an Karl Barth sagte: «Es wird regiert – bleibt nur die Frage, von wem sich die
Politik regieren lässt.» Und er erinnerte auch an Bonhoeffer, der die Kirchen
dazu mahnte, den Staat an seine Pflichten, insbesondere auch gegenüber den
Schwachen, zu erinnern.
Dienen
die Privilegien dem Rechtsstaat?
Ob
die Forderung von Freidenker, alle Kirchen gleichzustellen und sie somit als
Vereine analog zum Kanton Genf zu organisieren, diesem Ziel dient? Die
öffentlich-rechtliche Anerkennung verschafft ihnen schon rein psychologisch
mehr Einfluss. Vielleicht mehr, als derjenige christlicher Parteien. Ein Beispiel
dafür ist der Widerstand gegen weitere Ladenöffnungszeiten am Sonntag, der vor
allem von der katholischen Kommission Justitia et Pax organisiert wird.
Marianne Streiff (EVP), Andreas Kyriacou (Freidenker), Marc Jost (EVP), Heiner Bielefeldt, Eric Nussbaumer (SP) und Gerhard Pfister (CVP)